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Der Himmel über New York (German Edition)

Der Himmel über New York (German Edition)

Titel: Der Himmel über New York (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Carl
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der Mann mit einer unbekannten Stimme spricht oder erst, wenn sie mit ihm im Hotelbett liegen?
    Ein Heiratsantrag vom richtigen Mann ist der Traum jeder Frau. Das behaupte nicht ich, das hat Conny mal gesagt. Bevor ihr Leben sich in den Albtraum verwandelte, aus dem sie jetzt nicht mehr aufwacht. Und den sie sich immer schöner reden wird, je länger er dauert. Ich weiß, dass Leroy mir böse ist, weil ich gestern nicht sofort Ja gesagt habe. Böse, weil ich ihn um Bedenkzeit gebeten habe. Dabei ahnt er genau wie ich, dass die Bedenkzeit nur ein Aufschub ist.
    Er hat sich selbst in eine Lage gebracht, in der es nur noch Schwarz oder Weiß gibt. Vor allem wenn ich Nein sage. Wenn ich sein Angebot ausschlage, ist alles zu Ende. Das gebietet ihm schon sein Stolz. Und davor habe ich Angst.
    Vor allem habe ich Angst davor, ihn nie wieder hinter der Bühne der Poets’ Bar zu küssen. Davor, dass sein Körper wieder fremdes Territorium wird, in dem ich keine Aufenthaltsberechtigung habe. Visum abgelaufen. Für immer.
    Wenn wir nur Zeit hätten. Es geht alles zu schnell, das ist, als wenn jemand gerade einen Samen gepflanzt hat und jeden Tag ungeduldig die Erde umgräbt und schaut, ob er schon dabei ist, sich in einen Mammutbaum zu verwandeln, zwischen dessen Ästen er eine Hängematte aufspannen kann.
    Der Kragen meines T-Shirts riecht nach ihm. Vor ein paar Tagen hatte er es angezogen, tanzte damit im Zimmer herum. »Das ist meins, gib’s mir wieder!«
    »Dann hol es dir doch!«
    Wir könnten es so schön miteinander haben.
    Im Schaufenster eines Juweliers liegen goldene Ringe auf einem Samtkissen. Ich bleibe stehen und sehe sie mir an. Fest geschlossene Kreise. Funkelnde Fesseln. Gerne habe ich als Kind an Eheringen gespielt, an den Fingern von Mama und Papa, zwei vollkommen gleiche Goldreifen, glänzend auch nach zwei Jahrzehnten.
    Meine Eltern sind Dinosaurier, die letzten einer aussterbenden Art. Es gab Zeiten, in denen ich die Einzige in meiner Clique war, deren Eltern nicht geschieden waren. Gerne zusammenlebten. Und sich sogar liebten. Immer wieder wollte ich früher die Geschichte hören, wie mein Vater meiner Mutter einen Heiratsantrag gemacht hat. Dabei ist die gar nicht so spannend.
    In den letzten Jahren hat mich etwas anderes viel mehr interessiert. Die Liebesgeschichten meiner Eltern, ehe sie meine Eltern wurden.
    Es ist eine Serie von Abenteuern und Trennungen. Sie haben viel ausprobiert, das muss man ihnen lassen. Und manchmal habe ich den Verdacht, dass die wechselnden Frauen- und Männergesichter in den alten Fotoalben nur die Spitze des Eisberges sind. Keine Ahnung, was ich alles nicht von ihnen weiß.
    Dafür waren sie ganz schön zielstrebig, als sie sich endlich trafen. Da hatte wohl schon keiner der Freunde und Verwandten mehr damit gerechnet, dass einer von ihnen noch eine Familie gründen würde. Auf den Hochzeitsfotos, ein Jahr nach ihrer ersten Begegnung, trägt meine Mutter einen stolzen Achtmonatsbauch spazieren, drei Tage vor ihrem 42. Geburtstag kam ich zur Welt. Unser Last-Minute-Baby, so haben sie mich genannt.
    So sollte es wohl sein. Und ich glaube, sein Bedarf an anderen Frauen war damals genauso gedeckt wie ihr Bedarf an anderen Männern. Vielleicht ist es nicht romantisch, aber manchmal glaube ich, genau das ist ihr Erfolgsgeheimnis.
    Was wäre wohl geschehen, wenn sie sich nicht kennengelernt hätten? Hätte es ein anderes Happy End gegeben, für sie, für ihn? Mit einem anderen Mann? Einer anderen Frau?
    Und ich? Leroy und ich? Nicht einmal halb so alt wie meine Eltern, als sie sich kennenlernten?
    Vielleicht bin ich es, die den gleichen Fehler wie Bob macht und die Chance ihres Lebens nicht erkennt. Vielleicht ist Leroy genau der richtige Mann für mich.
    Ich habe mich noch nie gefragt, wie einer sein müsste, damit ich mein Leben mit ihm verbringen will. Heiraten, das war für mich bisher eine sichere, aber vage Vorstellung in ferner Zukunft. So selbstverständlich wie die Tatsache, dass ich irgendwann graue Haare und einen Hängebusen bekommen werde. Hallo – ich bin neunzehn Jahre alt! Heiraten, das interessierte mich bisher ungefähr so brennend wie Rentenversicherungen. Oder Familienurlaub an der Nordsee.
    Aber wenn ich in zehn Jahren darauf komme, dass es Leroy gewesen wäre, ist es zu spät. Wenn Leroy schon längst den Pulitzerpreis für seine Gedichte bekommen hat und mit seiner Frau in einem Loft über einer Galerie in Soho lebt. Einer afrikanischen Prinzessin, einer

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