Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Himmel über New York (German Edition)

Der Himmel über New York (German Edition)

Titel: Der Himmel über New York (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Carl
Vom Netzwerk:
Geld. Sie arbeitet für eine Filmproduktionsfirma, die Krimis dreht. Schminkt Schusswunden und blaue Flecken.
    »Hello?«
    »Liberty Travel Agency, American Airlines General Representative, West Broadway, mein Name ist Linda. Spreche ich mit Jenny Ritter? Sie hatten angefragt, ob Sie Ihren Rückflug nach Frankfurt, Germany, um vier Wochen verschieben können. Ich könnte Ihnen anbieten, das Ticket umzubuchen. Zum einmaligen Sonderspartarif von 70 Dollar. Wenn Sie das Angebot nicht wahrnehmen, dann sollten Sie jetzt Ihr Rückflugdatum bestätigen.«
    »Jenny ist nicht zu Hause«, sage ich. »Ich richte es ihr aus. Bis wann muss sie sich spätestens entscheiden?«
    »Nun, garantieren kann ich für gar nichts. Aber spätestens übermorgen müsste ich schon Bescheid wissen.«

19.

    U m fünf beim Tea House «, hat Leroy gesagt, »am Nordufer des Sees.« Ich bin bisher noch nicht im Central Park gewesen, Leroy hat ein paar Kuriersendungen auf der Upper West Side abzuliefern, und so haben wir uns hier verabredet.
    Es ist das erste Mal, seit ich bei ihm wohne, dass wir uns nicht zu Hause treffen. Wir haben ein Date. Ich sitze auf der Wiese und warte auf das Herzklopfen. Das Herzklopfen von neulich, im gelben Café in der 9 th Street. Aber mein Puls geht ruhig und gleichmäßig. Unser Streit vorgestern war kein reinigendes Gewitter. Eher ein Regenguss, der langsam schwächer wird, aber noch nicht aufgehört hat. Nieselregen, der die Farben dämpft.
    Über den Baumwipfeln auf der Westseite des Parks erheben sich sandfarbene Wolkenkratzer. Manche von ihnen erinnern an mittelalterliche Burgen mit mächtigen Doppeltürmen, manche wachsen in mehreren Stufen in den verhangenen Himmel. Ab und zu schickt die Sonne einen Strahl zwischen zwei Wolken durch. Dann feuern die stählernen Wassertürme auf den Dächern Lichtblitze ab, so gewaltig, dass man sie bis hierher sehen kann.
    Am Gehwegrand, ein paar Meter neben mir, hat ein Chinese in einem weißen Gewand einen Massagestuhl aufgebaut. Darauf kniet eine Frau. Der Chinese bearbeitet ihren Rücken mit den Handkanten, als sei sie ein Schlagzeug. Ein Kind auf Skates steht wacklig daneben, streckt den dicken Kleinmädchenbauch heraus und versucht, das Schild zu entziffern. Shiatsu-Entspannungsmassage, 20 Dollar. Auf dem See gleiten Boote vorbei. Baden verboten, Lebensgefahr! , warnt eine braune Hinweistafel.
    Ich schließe die Augen und stelle mir Anne vor, wie sie nackt ins Wasser läuft. Die Geräusche um mich herum verbinden sich zu einer Melodie mit mehreren Stimmen: die Schläge auf den verhärteten Rückenmuskeln der Frau, Autolärm aus der Ferne, das Eintauchen von Rudern ins Wasser. Und ein Fahrradreifen, der beim Bremsen Kieselsteine aufwirbelt.
    Da ist er.
    Leroy legt das Rad ins Gras und beugt sich zu mir herunter. Ich küsse ihn neben den Mund. Er lässt sich fallen, bettet seinen Kopf in meinen Schoß. Von hier oben sieht er kleiner aus, als er ist. Ich lege eine Hand an seine Schläfe, fahre an seinem Haaransatz entlang. Es ist kein richtiges Streicheln.
    »Ich habe vorhin zu Hause Bob getroffen«, erzählt er, »und er hat sich ganz merkwürdig benommen. Stand vor dem Spiegel und probierte eine Jeansjacke an. Drunter hatte er ein rosa Hemd. Sah aus, als würde er zu einer Party gehen, aber einer Party von 1978.«
    »Wo wollte er denn hin?«
    »Er sagte, er habe morgen ein Date. In Queens. Und er müsse sich gut überlegen, was er anzieht. Mehr wollte er mir nicht erzählen, er sagte, das könne Unglück bringen. Er sprach ganz gepresst, total nervös.«
    »Ich kann dir das erklären«, sage ich. »Meine alte Vermieterin ist seine frühere Freundin.«
    »Was? Die Schlampe, die ihn die Treppe hinuntergeworfen hat?«
    »Es war ein Unfall«, sage ich.
    »Aber das passt überhaupt nicht zusammen. Mir hast du erzählt, dass sie eine spießige Kneipenwirtin ist. Und Bobs Geschichten handeln von einem leicht durchgeknallten Hippiemädchen.«
    »Nach der Sache mit ihm hatte sie wohl genug von der großen Freiheit. Dann ging es ihr nur noch um Sicherheit. Er hat mir erzählt, dass sie damals in einem polnischen Diner in Queens als Kellnerin gejobbt hat, Dan’s Family Diner . Den Besitzer, Dan Koslowsky, hat sie dann geheiratet.«
    »Und jetzt ist ihr Mann tot und der Laden gehört ihr.«
    »Genau.«
    Leroy schüttelt den Kopf. »Und ausgerechnet du bringst sie wieder zusammen.«
    »Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Ob die sich nach all der Zeit noch etwas zu sagen haben?«
    Er

Weitere Kostenlose Bücher