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Der hinkende Rhythmus

Der hinkende Rhythmus

Titel: Der hinkende Rhythmus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaye Boralıoğlu
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Wand schlug, wurde der Mann noch wütender. Mit seiner ganzen Körperfülle warf er sich auf die Frau. Sie gingen zusammen zu Boden. Die Frau trat mit den Füßen gegen die Luft, der Mann versuchte, ihr ins Gesicht zu schlagen. Ihr Kampf dauerte ewig. Diese langweilige Szene kam Halil so lang wie ein ganzes Leben vor. Er verspürte den Wunsch, einzuschlafen … wieder ins Dunkle zu tauchen. Aber die Schreie der Frau hinderten ihn daran. Der Mann versuchte, den Mund der Frau zuzuhalten, die auf dem Boden um sich schlug und aus vollem Halse schrie. Die eine Hand presste er ihr auf den Mund, mit der anderen griff er ihren Hals. Die Frau stieß kehlige Laute aus und wollte nicht aufgeben. Sie versuchte, nach irgendetwas zu greifen. Während sie so auf dem Boden kämpften, fiel ein Tisch um. Was war denn das für ein Film? Warum drehen die Menschen so einen Film? Wenn jetzt wenigstens der Strom ausfallen würde oder irgendwas in der Richtung passierte. Er fiel aber nicht aus, der Film lief weiter. Dann geschah es irgendwie, dass sich für einen Augenblick die Hand des Mannes, die der Frau den Mund zuhielt, lockerte, und die Frau nutzte diese Gelegenheit und biss ihm ins Ohr. Der Mann stieß einen gellenden Schmerzensschrei aus. Die Frau kroch mit einem Satz unter ihm hervor und rannte zum Fenster, der Mann hinter ihr her. Er packte die Frau am Bein, sie fiel hin und ihr Kopf schlug gleich neben dem Sofa auf den Holzboden. In diesem Moment bemerkte Halil, dass sich jemand unter dem Sofa versteckte. Ein Kind … ein kleines Kind. Nun fuhr die Kamera an das entsetzte Gesicht des Kindes heran, das die Frau mit dem blutigen Kopf anstarrte. Halil kam es so vor, als würde er dieses Kind kennen, dieses Gesicht … wenn er es nur etwas näher sehen könnte … etwas näher, ein wenig schärfer … er sah es aber nicht.
    Und dann der Filmriss. Und wieder alles stockfinster.

    Er musste sehr lange geschlafen haben. Sein Körper war bleischwer. Am Rücken spürte er einen bösen Schmerz. Kommt bestimmt vom ständigen Autofahren, dachte er. Auch der linke Arm tat ihm weh. Es musste der Fahrtwind sein, der durch das offene Fenster drang. Wie lange lag er hier wohl schon? Er wollte sich aufrichten. Doch da spürte er einen Messerstich im Becken. Unter Schmerzen verzog er das Gesicht. Es ging ihm nicht gut. Das war bestimmt keine Erkältung, es musste etwas Schlimmeres sein. Ein Schweißtropfen lief über seine Stirn. Er wollte ihn mit der Hand wegwischen, konnte aber seinen Arm nicht heben. War er krank? Wo befand er sich? Er versuchte, die Augen zu öffnen. Unmöglich. Als hätten sich zwei riesige Fäuste auf seine Lider gelegt. Er versuchte es noch einmal und dann ein drittes Mal, es ging nicht. Er hatte Durst. Wenn mir jetzt nur jemand Wasser bringen würde, dachte er.
    »Ist denn niemand da?«, rief er. »Was ist das hier? Wo bin ich? Ist niemand da? Keine einzige Menschenseele, niemand, der mir Wasser gibt?«
    Er versuchte erneut, die Augen zu öffnen. Schaffte es aber wieder nicht. Vielleicht waren seine Augen auch offen, aber es war so dunkel, dass er das nicht einmal merkte. Hatte man ihn etwa in eine Zelle gesperrt? War er geschlagen worden? Hatte er Schwierigkeiten mit der Polizei gehabt? Hatte er sich mit jemandem geprügelt?
    Nein, es gab keinen Grund, warum er Schwierigkeiten mit der Polizei haben sollte. Er hatte nichts Böses getan. Er hatte sich mit niemandem geprügelt. Nein, solche Dinge waren nicht geschehen. Wenn er jetzt nicht in der Hölle war oder vielleicht im Himmel, dann musste doch jemand da sein, der ihn hörte. Er versuchte es ein weiteres Mal. Er sammelte seine ganze Kraft und rief in einem Atemzug so laut er konnte:
    »Ist niemand daaaaaaa?«
    Seine Stimme hallte von den nackten Wänden zurück und drang wieder in sein Ohr, aber eine Antwort auf seine Frage erhielt er nicht. Er wollte Wasser, er wollte schlafen, er wollte leben.

    »Halil?«
    .......
    »Halil?«
    .......
    »Hörst du mich, Halil?«
    »Wer?«
    »Ich bin’s, mein Sohn, ich bin’s, erkennst du mich nicht mehr?«
    »Wer?«
    »Ich bin’s, deine Mutter … Halil … Wie geht es dir, mein Sohn?«
    »Mutter?«
    »Ja, mein Sohn, ich bin’s. Geht es dir gut?«
    »Was willst du denn hier?«
    »Ich wollte dich sehen, mein Sohn. Ich bin zu Besuch hier.«
    »Geh weg.«
    »Oh … spricht man denn so mit seiner Mutter, mein Sohn? Warum redest du so? Du machst mich aber traurig.«
    »Geh weg, hab ich gesagt.«
    »Wir müssen reden, Halil.«
    »Ist

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