Der Hinterhalt
würden. »Eine andere Regel besagt, dass Unbeteiligte nicht getötet werden dürfen. Also bist du für sie unantastbar, es sei denn, wir gründen eine Familie. Falls es dazu kommen sollte, werde ich dich beschützen.« Ich hätte dich auffordern sollen wegzulaufen. Ich hätte dich anflehen sollen, dass du dich so weit wie möglich von mir fernhältst. Wenn ich mutig wäre, hätte ich dich verlassen. Stattdessen stammelte ich: »Ich kann dich nicht bitten, bei mir zu bleiben. Ich kann dir nur versprechen, dass ich alles tun werde, um dich zu beschützen.«
Es entstand eine lange, schmerzhafte Pause. Mein ganzer Körper tat mir weh. Du warst an der Reihe, etwas zu sagen. Du nahmst meine Hände in deine und drehtest sie um, damit du meine Handflächen betrachten konntest. »Du tötest Menschen. Du tötest Menschen mit diesen Händen.« Jetzt war ich an der Reihe zu weinen. Ich vergrub das Gesicht an deiner Schulter und ließ meinen Tränen freien Lauf.
Du musst in Betracht gezogen haben, mich zu verlassen. Es wäre verrückt gewesen, das nicht zu erwägen. Trotzdem spürte ich, dass du mich mit deinen Fragen nicht zermürben wolltest. Du versuchtest nur, die Situation in vollem Umfang zu ermessen. Bleibst du bei einem Mann, von dem du weißt, dass er ein Mörder ist, oder läufst du davon? Schließlich hörte ich auf zu weinen. »Vertraust du mir?«, fragte ich mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte.
»Ich glaube nicht, dass mir etwas anderes übrig bleibt«, erwidertest du.
Jetzt war ich verwirrt. »Was meinst du damit?«
»Ich bin schwanger.«
Letzten Endes sind es unsere Geheimnisse, die uns zusammenschweißen.
»Was?« Ich stand schockiert wieder auf.
»Ich bin schwanger, Joe.«
»Wie das?« Ich suchte nach Worten.
»Du weißt genau, wie, Joe.« Deine Antwort war barsch. Ich hatte nicht so reagiert, wie du wolltest. Ich hatte dir soeben erzählt, dass ich Leben beende. Jetzt sagtest du mir, dass in dir eines entstand, und ich verhielt mich wie ein Idiot.
»Was ist mit Verhütung?«
»Was ist damit, Joe? Das ist vermutlich nicht der richtige Zeitpunkt, um das zum ersten Mal zur Sprache zu bringen.« Deine Stimme klang wütend.
»Du bist an der Uni. Welche Studentin nimmt nicht die Pille?« Das war eine dumme Bemerkung, aber ohne sie wäre uns nicht bewusst geworden, in welcher misslichen Lage wir uns befanden.
»Ja, ich bin an der Uni. Aber ich nehme nicht die Pille.«
»Warum nicht?«
»Ich bin siebzehn, Joe«, erwidertest du.
Meine Gedanken rasten. Siebzehn? Wie konntest du siebzehn sein? Ich fing an, im Kopf zu rechnen. Siebzehn plus neun Monate. Was ergab siebzehn plus neun Monate?
»Aber du hast doch gesagt, du wärst im zweiten Jahr?«
»Ich habe dir gesagt, dass ich im zweiten Jahr studiere. Mehr wolltest du nie wissen. Du hast mich nie gefragt, wie alt ich bin. Ich habe meinen Highschool-Abschluss vorzeitig gemacht. Ich war weit für mein Alter.« Du schriest. »Ich war siebzehn, an der Uni und einsam, und dann bin ich dir begegnet. Ich war schon immer anders, Joe. Ich war anders als meine Mitschüler auf der Highschool. Ich bin anders als meine Kommilitonen an der Uni. Dann habe ich dich kennengelernt, und du warst auch anders. Wir waren gemeinsam anders.« Inzwischen flehtest du mich an. Ich versuchte weiterhin, im Kopf zu rechnen. Siebzehn plus neun Monate, was ergab siebzehn plus neun Monate?
»Wann hast du Geburtstag?«
»Was spielt das für eine Rolle?« Deine Verärgerung über meine Reaktion wich Verwirrung.
Ich sah dich an. Mein Blick muss dich erschreckt haben, da du zusammenzucktest. »Wann hast du Geburtstag?«, wiederholte ich.
»Ich bin vor zwei Monaten siebzehn geworden.« Vor zwei Monaten. Was bedeutete das? Meine Gedanken rasten.
»Wie weit bist du schon?«, fragte ich. Es war eine dumme Frage. Mein Verstand funktionierte nicht richtig.
»Was glaubst du wohl, Joe?«, erwidertest du.
Es war einen Monat her. Ich zählte eins und eins zusammen. Es war einen Monat her, dass wir ein Wochenende miteinander verbracht hatten. Dein Termin war in acht Monaten. Zwei Monate vor deinem achtzehnten Geburtstag. Daran gab es nichts zu rütteln. Das Ganze ließ sich unmöglich um weitere zwei Monate ausdehnen. Ich erstarrte.
»Joe?«, schriest du mich an, um meine Aufmerksamkeit zu erregen, als ich ins Leere starrte. Ich sah dich an. Du machtest den Eindruck, als würdest du jeden Moment wieder anfangen zu weinen. »Freust du dich?«
»Was soll das heißen?«
Ich hätte
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