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Der Hinterhalt

Der Hinterhalt

Titel: Der Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevor Shane
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schätzen, doch wir übernachteten noch immer im Auto. Da wir kein Geld hatten, um essen zu gehen, richtetest du uns Erdnussbutter- und Marmelade-Sandwichs her, und wir machten Picknick auf der Motorhaube. Du sagtest, du seist stolz auf mich, und das genügte mir vollkommen.
    In der ersten Woche tat ich nichts anderes, als zu arbeiten und zu schlafen. Am Freitag bekam ich meinen Lohn. Frank hatte kein Problem damit, mich bar auszuzahlen. »Es ist dein Geld«, sagte er. »Du hast es verdient. Ob du dem Finanzamt was davon abgeben möchtest oder nicht, geht mich nichts an.« Ich ließ ihn in dem Glauben, dass ich mich nur um die Steuern drücken wollte, und verriet ihm nicht den wahren Grund, weshalb ich schwarzarbeiten musste. Nachdem ich meinen Lohn bekommen hatte, übernachteten wir nicht mehr im Auto, sondern wohnten wieder in Motels. Das Timing war gut. Dein Rücken fing an zu schmerzen, und ich war froh, dir ein echtes Bett bieten zu können.
    In der Woche darauf fandest du ebenfalls Arbeit. Du hattest viel Zeit in einer Buchhandlung mit Lesen verbracht. Nach vier Tagen fragten sie dich, ob du Interesse hättest, Teilzeit an der Kasse zu arbeiten. Der Job war nicht gut bezahlt, aber auch nicht allzu anstrengend für dich und brachte uns zusätzliche hundertfünfzig Dollar in der Woche ein. Da wir jetzt beide verdienten, konnten wir ein bisschen Geld auf die Seite legen. Ich war der Meinung, dass wir einen Puffer brauchten, da wir unmöglich wissen konnten, wann wir wieder die Flucht ergreifen mussten. Irgendwann würde es so kommen. Es war nur eine Frage der Zeit.
    Während die Tage verstrichen, wuchs Franks Vertrauen in mich. Er gab mir Arbeit, die anspruchsvoller war als das Einreißen von Wänden und das Tragen von Eimern voller Nägel. Nach und nach lernte ich Dinge von ihm, praktische Dinge. Zunächst ließ mich Frank Holz messen und zuschneiden. Er gab mir einen Zettel, auf dem verschiedene Maße aufgelistet waren. Sechs drei Meter lange Fünf-mal-zehn-Kanthölzer. Acht sechs Meter lange Fünf-mal-dreißig-Bretter. Ich saß mit Maßband und Bleistift auf einem Berg Holz, zeichnete es an und schnitt es mit der Kreissäge zu. Ich versuchte, mir alles zu merken, was Frank mir sagte, ohne mir Gedanken darüber zu machen, dass es andere Informationen aus meinem Gedächtnis verdrängen könnte.
    »Das Kreissägeblatt ist ungefähr drei Millimeter dick«, erklärte mir Frank in der zweiten Woche, bevor er mir die Verantwortung übertrug, das wertvolle Bauholz zu sägen. »Du darfst keinen Schnitt machen, ohne die Dicke des Sägeblatts einzukalkulieren. Sobald du sägst, sind diese drei Millimeter weg. Sie sind Sägespäne. Wenn du sägst, nimmst du Holz weg, daran führt kein Weg vorbei.« Um es mir zu demonstrieren, nahm er die Kreissäge zur Hand und setzte das Sägeblatt außen an der Bleistiftlinie an, die er zuvor gezogen hatte. »Wenn du also sägst«, schrie Frank über das Kreischen des runden Sägeblatts hinweg, »musst du außerhalb der Linie sägen, sonst schneidest du das Holz zu kurz ab.« Er sägte das Brett durch, damit ich sehen konnte, wie die drei Millimeter einfach verschwanden. »Säg das Holz nicht zu kurz ab. Es ist teuer.« Nachdem ich die Bretter und Balken gesägt hatte, schleppte ich sie zum Fundament des Hauses. Ich machte tagelang nichts anderes, als Bauholz zu sägen und herumzutragen.
    Die Arbeit fiel mir von Woche zu Woche leichter. Mein Körper gewöhnte sich langsam an die Hitze. Ich war abends nicht mehr so müde. Mir fiel auf, dass ich die Schmerzen im Unterarm lindern konnte, wenn ich den Hammer nicht so fest hielt. Die Tage vergingen. Dein Job in der Buchhandlung lief gut. Wir bemühten uns, daran zu denken, alle drei Tage das Motel zu wechseln. Alles schien in geregelten Bahnen zu verlaufen. Als ich eines Abends in unser Motelzimmer kam, gabst du mir einen braunen Umschlag. Er enthielt dieses Tagebuch. Du batest mich, meine Geschichte für dich aufzuschreiben. Du sagtest, du wolltest mich verstehen. Ich erinnere mich, dass ich dich mit berechtigter Skepsis ansah. Mein Leben war ein Geheimnis. Das war schon immer so gewesen. Und so sollte es auch sein. Du nahmst mir trotzdem das Versprechen ab, dass ich es zumindest versuchen würde.
    Am übernächsten Abend, nachdem du eingeschlafen warst, schlug ich das Tagebuch auf und schrieb über die Frau, die ich in Brooklyn erdrosselt hatte. Das Schreiben fiel mir leichter, als ich erwartet hatte. Es half, dass ich dabei das Gefühl

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