Der Hinterhalt
mussten unser Kind retten. Anschließend war alles möglich.
»Kann ich mit Ihnen allein sprechen Ms _____?« Der Arzt nannte deinen Nachnamen, deinen echten Nachnamen. Mein Verdacht wurde noch stärker. Du sahst mich an. Du wolltest nicht, dass ich gehe. Das konnte ich deinem Gesichtsausdruck entnehmen. Du hättest dir keine Sorgen zu machen brauchen. Ich wäre nirgendwohin gegangen.
»Er kann bleiben«, entgegnetest du.
»Ich würde aber wirklich lieber mit Ihnen allein sprechen, Ms _____.« Er nannte deinen Namen erneut.
»Nein.« Deine Antwort war bestimmt. »Er bleibt.«
»Okay.« Der Arzt lenkte schließlich ein. »Ich habe ein paar Fragen an Sie, und es gibt ein paar Dinge, die ich Ihnen sagen kann.« Er warf einen Blick auf die Untersuchungsergebnisse in seinen Händen. »Die gute Nachricht lautet, der Herzschlag Ihres Babys ist kräftig und alles scheint sich normal zu entwickeln. Das Baby ist nicht zu klein und scheint schnell genug zu wachsen. Was den Embryo anbelangt, sieht alles gut aus.«
Ich hörte dich einen Seufzer der Erleichterung ausstoßen, doch du warst noch nicht zufrieden. »Was stimmt dann nicht?«, fragtest du.
Der Arzt steckte sich das Klemmbrett unter die Achsel, um direkt mit dir zu sprechen. »Die Blutung und die Krämpfe sind auf eine sogenannte vorzeitige Plazentaablösung zurückzuführen.« Ich versuchte, mir jedes Wort ins Gedächtnis einzuprägen, weil ich glaubte, bei der Lösung des Problems helfen zu können, wenn ich wusste, worin es bestand. »Das bedeutet, dass sich Ihre Plazenta irgendwann im Lauf Ihrer Schwangerschaft von der Gebärmutterwand gelöst und sich Blut zwischen Plazenta und Gebärmutter gesammelt hat.«
»Ist das gefährlich?«, fragtest du. Du warst mir bei jeder Frage voraus und stelltest sie, bevor ich meine Gedanken ganz verarbeiten konnte.
»Es kann gefährlich sein«, entgegnete der Arzt. »Sie können eine Menge Blut verlieren, und das kann für Sie und für Ihr Baby gefährlich sein. Außerdem kann es Frühwehen auslösen, was in diesem frühen Stadium Ihrer Schwangerschaft nicht gut wäre, da Ihr Baby noch nicht lebensfähig ist.«
Du sahst mich an. Du hattest Angst. Ich reichte dir meine Hand, die du fest umklammertest. »Woher kommt das?«, fragtest du. Du schautest mich dabei an, als könnte ich dir antworten, obwohl du wusstest, dass ich keine Antworten hatte.
»Das ist der Grund, warum ich mit Ihnen allein sprechen wollte«, erwiderte der Arzt. »Bei einer jungen Frau wie Ihnen, die zum ersten Mal schwanger ist, die weder raucht noch Drogen nimmt, ist die Ursache in der Regel irgendein Trauma.« Der Arzt warf mir erneut einen missbilligenden Blick zu. Es war der gleiche Blick, mit dem er mich bedacht hatte, als er zur Tür hereingekommen war, und der mich dazu veranlasst hatte zu glauben, er sei einer von ihnen. Inzwischen wusste ich, dass er keiner von ihnen war. Er hatte andere Gründe dafür, mich missbilligend anzusehen.
»Wollen Sie mir etwa unterstellen, ich hätte Maria geschlagen?«, fragte ich ihn, obwohl ich genau wusste, was er andeutete.
»Niemand unterstellt hier jemandem irgendwas«, entgegnete der Arzt. »Es ist nur so, dass in Fällen, in denen es keine anderen offensichtlichen Ursachen für ein Trauma gibt, nicht selten häusliche Gewalt die Ursache ist.« Der Arzt sah dich abermals an. »Wir möchten nur sichergehen«, sagte er.
»Joe ist nicht so«, erwidertest du kopfschüttelnd. »Er ist kein solcher Gewalttäter.« Du meintest, was du sagtest. Ich nehme an, es stimmte auch. Ich war kein solcher Gewalttäter. Eine Welle von Schuldgefühlen überrollte mich, bevor mir überhaupt der Umfang dessen bewusst wurde, wessen ich mich schuldig fühlen musste.
»Okay«, sagte der Arzt. »Fällt Ihnen irgendein anderes Trauma ein, das Sie erlitten haben könnten?« Er senkte den Blick und machte ein paar Notizen auf seinem Klemmbrett.
Mir fiel eines ein. Ich wünschte, dem wäre nicht so gewesen. »Wir hatten einen Auffahrunfall«, sagte ich zu dem Arzt. Das war zumindest halbwahr. Die ganze Wahrheit war viel hässlicher. Ich rief mir in Erinnerung, wie die Leiche des Jugendlichen vor seinem ramponierten Auto im Matsch gelegen hatte, während Regentropfen in die Pfützen um ihn herum prasselten. »Aber das ist schon Monate her«, fügte ich hinzu.
»Nun, das könnte die Ursache sein«, sagte der Arzt und machte eine weitere Notiz in deiner Akte. »Liegt Bluthochdruck bei Ihnen in der Familie, Maria?«, fragte er. Du
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