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Der Hinterhalt

Der Hinterhalt

Titel: Der Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevor Shane
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wollte.
    »Wohin soll ich gehen?«, fragte ich in der Hoffnung, dass Brian noch mehr Antworten hatte, dass er irgendeinen Plan hatte. Ich hoffte, Brian würde mir sagen, was ich tun soll und wohin ich gehen soll, wie er es früher getan hatte, als alles noch einfacher gewesen war.
    »Ich kann dir nicht helfen, Joe. Wenn sie herausfinden, dass ich dich angerufen habe, bin ich ein toter Mann. Ich muss jetzt Schluss machen. Geh einfach und sieh dich nicht um.«
    »Was wissen sie?«, fragte ich. Ich versuchte, ihm so viele nützliche Informationen zu entlocken wie möglich, bevor er auflegte.
    »Alles, Joe. Sie wissen, wo du arbeitest. Sie wissen, welches Auto du fährst. Sie wissen alles, und sie werden kommen. Du bist nicht mehr sicher. Sie sind bereits unterwegs.« Ich wollte weitere Fragen stellen. Ich öffnete den Mund, doch bevor ich noch irgendetwas sagen konnte, hörte ich ein klickendes Geräusch und dann das Freizeichen. Brian hatte aufgelegt. Entweder das, oder jemand hatte unsere Verbindung gekappt.
    Ich hielt mir den Hörer noch ein paar Sekunden lang ans Ohr und lauschte dem Tuten. Es war wieder Zeit, die Flucht zu ergreifen, doch dieses Mal war der Einsatz höher. Dieses Mal stand auch das Leben unseres Sohnes auf dem Spiel. Ich betrachtete dich, während du schliefst. Ich wollte dich nicht wecken. Ich wollte dich nicht wieder aufscheuchen. Doch ich wusste, dass Tatenlosigkeit riskanter war als Hast.
    Ich stand auf, schnappte mir meine Reisetasche und warf alles hinein, von dem ich glaubte, dass wir es brauchen würden. Dann ging ich ins Badezimmer, griff unters Waschbecken und holte das Bargeld hervor, das wir dort versteckt hatten. Im Lauf der vergangenen Monate war es uns gelungen, etwas Geld auf die Seite zu legen. Einen großen Teil unserer Ersparnisse hatten wir jedoch für deine Blutdruckmedikamente ausgegeben. Viel Geld war nicht mehr übrig, aber ich hoffte, dass es uns genügen würde, um das Weite zu suchen. Ich öffnete eine Schublade, nahm Kleidungsstücke heraus und warf sie ebenfalls in die Reisetasche. Dann nahm ich die Pistole und hielt sie einen Moment lang in der Hand. Ich hatte sie nicht mehr in der Hand gehabt, seit ich in der Nähe von Toledo den Jugendlichen erschossen hatte. Die Pistole fühlte sich gut an. Ich weiß nicht, warum, doch es beruhigte mich, ihr Gewicht in meiner Hand zu spüren.
    Für den Fall, dass wir beobachtet wurden, verzichtete ich darauf, das Licht einzuschalten. Womöglich warteten sie bereits draußen und hätten das Aufflackern des Lichts als Startsignal für ihren Plan verstanden. Ich wollte erst bereit sein. Inzwischen gab ich mir keine Mühe mehr, leise zu sein. Du musstest ohnehin aufwachen – besser durch Lärm, als dich von mir wachrütteln zu lassen. Als du schließlich die Augen öffnetest, sahst du mich mit der Pistole in der Hand.
    »Was ist los?«, fragtest du mit einem Blinzeln.
    »Wir reisen ab«, antwortete ich.
    »Was?«, fragtest du.
    »Wir reisen ab. Jetzt sofort«, erwiderte ich.
    »Das geht nicht, Joe. Das ist zu gefährlich.« Du blicktest auf deinen Bauch hinunter.
    Ich nahm eine Handvoll Kleidungsstücke von dir aus der Kommode und warf sie neben dir aufs Bett. »Zieh dich an«, flehte ich. »Bitte.«
    »Das können wir nicht machen, Joe. Das ist zu gefährlich.« Du legtest die Hand mit gespreizten Fingern auf deinen Bauch, als wolltest du ihn schützen. »Wir müssen vorsichtig sein.«
    Ich trat ans Fenster, hob den Vorhang ein wenig an und spähte hinaus. Es war nichts zu sehen. Auf dem Parkplatz war es ruhig. Nichts bewegte sich. Alles befand sich dort, wo es hingehörte. Ich versuchte, einen Blick auf den Bereich vor unserer Motelzimmertür zu werfen. Der Winkel war ungünstig, aber es hatte nicht den Anschein, als würde dort jemand auf uns warten. Vielleicht hatte Brian sich getäuscht; vielleicht handelte es sich aber auch um eine Falle.
    »Ich habe einen Anruf bekommen«, erklärte ich dir. »Es war eine Warnung.«
    »Von wem?«, wolltest du wissen.
    »Von einem Freund«, erwiderte ich. Ich musste glauben, dass Brian mein Freund war. Ich musste irgendjemandem vertrauen. »Bitte zieh deine Turnschuhe an.«
    »Ich dachte, du wärst abgekapselt worden? Ich dachte, du hättest keine Freunde mehr?«
    »Ich auch« war die einzige Antwort, die ich dir darauf geben konnte. Du saßest auf der Bettkante und schlüpftest in deine Turnschuhe.
    »Ich kann nicht rennen, Joe. Das weißt du.« Ich wusste es. Keine anstrengenden Aktivitäten.

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