Der Hinterhalt
Uhr.
»Vier Uhr morgens.«
»Hör zu.« Ich holte tief Luft und konnte selbst kaum glauben, was ich dir gleich vorschlagen würde. »Der erste Bus fährt wahrscheinlich erst gegen sieben. Meinst du, du kannst in drei Stunden sechs Meilen gehen?«
»Habe ich eine andere Wahl?«, fragtest du.
»Nein.«
»Das schaffe ich schon«, sagtest du mit einem Nicken.
»Braves Mädchen.« Ich versuchte, dich anzulächeln. Allerdings weiß ich nicht, wie das ankam, da mir eigentlich nicht nach lächeln zumute war. Ich zog erneut die Pistole aus meinem Gürtel. »Nimm die«, sagte ich und reichte dir unser einziges Schutzmittel.
»Ich kann sie nicht nehmen«, erwidertest du und hieltst die Pistole locker mit zwei Fingern. »Ich kann nicht damit umgehen.«
»Nimm einfach die verdammte Pistole, Maria«, sagte ich verzweifelt. »Bitte nimm die Pistole. Es ist ganz einfach, mit ihr umzugehen. Ich habe sie bereits entsichert. Du brauchst damit nur auf das zu zielen, was dir Angst macht, und abzudrücken.« Du betrachtetest die Pistole in deiner Hand. Sie schien nicht dorthin zu gehören. Deine Hände sahen zu klein für sie aus.
»Wozu brauche ich die?«, fragtest du. »Warum nimmst du sie nicht einfach?«
Ich schüttelte den Kopf. »Gemeinsam schaffen wir die sechs Meilen niemals. Wir müssen uns etwas anderes einfallen lassen.«
»Was hast du vor?«, fragtest du. Du ahntest, dass dir mein Plan nicht gefallen würde, wie auch immer er aussah.
»Ich werde sie ablenken«, erklärte ich. Ich sah alles, was du mir sagen wolltest, in deinem Gesichtsausdruck. Du wolltest mir sagen, dass meine Idee lächerlich sei. Du wolltest mich dafür verfluchen, dass ich sie überhaupt in Erwägung zog. Und du wolltest mir sagen, dass wir es gemeinsam schaffen konnten. Du zögertest, weil du wusstest, dass Letzteres nicht stimmte. »Bitte, Maria«, flehte ich dich an. »Ich weiß nicht, was wir sonst tun sollen. Das ist unsere einzige Chance.«
»Also gut«, lenktest du schließlich ein. Du wusstest, dass wir keine andere Wahl hatten, wenn wir unseren Sohn retten wollten. Inzwischen hieltst du die Pistole mit beiden Händen. Sie war jetzt dein Beschützer.
»Kennst du den Weg?«, fragte ich dich und zögerte den Moment hinaus, in dem ich mich von dir trennen würde.
»Ja«, erwidertest du. Dann fiel mir das Geld ein. Ich nahm meine Geldbörse aus der Hosentasche.
»Nimm das hier ebenfalls«, sagte ich und reichte dir knapp tausend Dollar in bar. Jetzt besaß ich nichts mehr.
»Wir treffen uns am Busbahnhof, ja?«
»Klar«, erwiderte ich, obwohl ich wusste, die Wahrscheinlichkeit war gering, dass wir es beide dorthin schaffen würden. »Aber wenn ich nicht da sein sollte, steigst du trotzdem in einen Bus. Steig in einen Bus, der weit fährt.« Ich drehte mich um und blickte die umliegenden Straßen hinunter. Sie waren wieder leer. Nicht einmal ein Streifenwagen war zu hören. Die Leute glaubten offenbar, die Schüsse seien Feuerwerkskörper gewesen, die Kinder gezündet hatten. Die Luft schien rein zu sein. Ich drehte mich wieder zu dir um. »Gib mir fünf Minuten Vorsprung«, sagte ich. »Bleib in der Dunkelheit und geh unauffällig. Pass auf, dass dich niemand sieht.« Du nicktest. »Ich werde versuchen, sie auf meine Fährte zu locken.« Schon als ich das sagte, klang es lächerlich. Wie lange würden sie brauchen, um mich zur Strecke zu bringen? Wie lange würde ich vor ihren Kugeln davonlaufen können? Mein Ziel war nicht, zu überleben. Ich musste realistisch bleiben. Mein Ziel war, lange genug zu überleben. Ich holte tief Luft und bereitete mich darauf vor, aus dem Dunkel auf die beleuchtete Straße zu treten. Bevor ich das tat, nahmst du meinen Kopf in die Hände und zogst mich zu dir. Du hieltest die Pistole in der rechten Hand, und ich konnte Metall an der Wange spüren. Du küsstest mich zart auf die Lippen, dann fester. Dann musste ich los.
»Wir sehen uns um sieben«, sagte ich. Dann rannte ich los. Ich trat auf die Straße hinaus und rannte, als gäbe es kein Morgen, da es für mich vermutlich kein Morgen gab.
Ich blickte mich nicht um. Ich rannte einfach. Ich rannte Richtung Süden, weg von dem Busbahnhof, um dir Bewegungsfreiheit zu geben. Falls ich es schaffte davonzukommen, hätte ich noch genug Zeit, um zum Busbahnhof zu gelangen. Nur Sekunden nachdem ich aus dem Dunkel getreten war, hörte ich die ersten Schritte, die mich verfolgten. Jeder Schritt schlug laut auf der Straße auf. Zwischen den einzelnen Schritten
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