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Der Hinterhalt

Der Hinterhalt

Titel: Der Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevor Shane
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war bis auf die Lampen ganz oben auf dem Riesenrad fast vollständig in Dunkelheit getaucht. Als ich mich umsah, leuchtete das Licht des Restaurants die Straße hinreichend aus, sodass ich die Menschenmenge ausmachen konnte, die sich davor tummelte. Es herrschte völliges Chaos. Da ich mein Tempo nicht verringerte, als ich um die Ecke bog, blieb mir nur der Bruchteil einer Sekunde, um das Durcheinander zu begutachten. Dieser Sekundenbruchteil genügte mir jedoch, um den dunkelhaarigen Typen zu erkennen, der eingerahmt von den Menschenmassen mit Höchstgeschwindigkeit hinter mir her lief. Er war nur noch ungefähr eine Viertelmeile hinter mir, und er holte auf.
    Nachdem ich um die Ecke gebogen war und wusste, dass ich mich außerhalb seines Blickfelds befand, sah ich mich nach etwas um, das mir bei der Flucht helfen konnte. Wenn der dunkelhaarige Typ wusste, wo ich war, würden es seine Freunde aller Wahrscheinlichkeit nach auch bald wissen. Vor mir entdeckte ich ein kleines rotes Fahrrad mit einem am Lenker befestigten Korb, das an einem der Häuschen entlang der Straße lehnte. Ich schnappte es mir, schob es auf die Straße, schwang meine langen Beine über den Sattel und trat so schnell ich konnte in die Pedale. Zu Fuß würde er mich jetzt unmöglich einholen können. Seine Freunde hatten jedoch mit Sicherheit ein Auto, deshalb musste ich mir ein Versteck suchen, und zwar schnell.
    Während ich in die Pedale trat, wurden die Straßen noch dunkler. Die Finsternis wurde nur hin und wieder von vereinzelten Veranda-Lampen unterbrochen. Mit der Dunkelheit kehrte auf der Insel auch Stille ein. Ich näherte mich ihrem Ende, wo die Straße einfach aufhört. Vor mir lag die lange, sandige Südspitze der Insel. Auf der einen Seite befand sich das Meer, auf der anderen die Bucht. Dazwischen war nichts als Sand. Je weiter man fuhr, desto schmaler wurde der Strand, bis kein Sand mehr vorhanden war und die Bucht und das Meer eins wurden. Ich hatte keine Zeit, mich umzublicken; ein Blick zurück hätte mich das Leben kosten können. Ich fuhr einfach weiter, ohne nachzudenken. Vermutlich wäre es sicherer gewesen, in einem der Häuser unterzutauchen, mich zu verstecken, wo andere Menschen waren. Aber ich dachte nicht nach. Ich versuchte nur, in Bewegung zu bleiben, und ich bewegte mich geradewegs in eine Sackgasse, in der ich mich nirgends würde verstecken können. Plötzlich hörte ich aus der Dunkelheit den laut aufheulenden Motor eines Autos, das schnell fuhr. Abgesehen vom Krachen der brechenden Wellen war es das einzige Geräusch, das ich hörte. Einen Moment später hörte ich, wie der Wagen mit quietschenden Reifen abbog, und wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis sie mich sehen konnten. Ich trat einfach weiter in die Pedale. Am Ende der Straße befand sich ein Tor mit mehreren »Kein Zutritt«-Schildern. Ich ließ das Fahrrad stehen, sprang über das Tor und rannte wieder.
    Sekunden später war ich auf allen Seiten von weißem Sand umgeben. Zu meiner Rechten sah ich die Bucht, zu meiner Linken hörte ich die Brandung. Ich bog ab und lief in Richtung Meer. Dabei hoffte ich, das Geräusch der Wellen würde mein Atmen übertönen. Das Meer war schwarz wie Öl und reflektierte den mondlosen Himmel. Das Einzige, was ich sah, als ich hinaus aufs Wasser blickte, waren die winzigen Lichter von Fischerbooten, die meilenweit entfernt über das Meer trieben. Als ich mich dem Ufer näherte, wurde das Donnern der Brandung lauter. Es herrschte Flut, und das Wasser war hier aufgewühlter als irgendwo sonst an der Küste der Insel. Bei mir machte sich Erschöpfung breit, doch ich wusste, dass sie mich schnell erwischen würden, wenn ich mein Tempo verringerte oder kein Versteck fand. Nur ein paar Sekunden später hörte ich wieder den Motor des Autos röhren, das am Ende der Straße mit quietschenden Reifen zum Stehen kam. Sie waren direkt hinter mir. Mir blieb nur ein Augenblick, um mich zu verstecken, oder ich war so gut wie tot. Meine Augen suchten den Strand ab, doch er war leer. Es gab ein paar Dünen und etwas Gras, aber kein Versteck. Ich wandte den Blick wieder auf das pechschwarze Wasser. Das Meer war meine einzige Chance. Ich rannte auf das Wasser zu. Mir blieb keine Zeit, um mein Hemd oder meine Sandalen auszuziehen. Ich hechtete einfach nach vorn, sobald ich spürte, dass das Wasser meine Zehen umspülte, und tauchte geradewegs in eine Welle. Sie drückte mich zurück, doch es gelang mir, sie zu überwinden.

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