Der Hinterhalt
darüber, wie erregt du warst. Ich wartete einen Augenblick. Dann packte ich dich an der Kapuze deiner Jacke und zog dich nah heran. Ich küsste dich fest auf den Mund. Ich erinnere mich noch heute, wie du geschmeckt hast. Anders als ein paar Stunden zuvor. Ich bemerkte einen moschusartigen Geschmack neben der Süße, die ich zuvor geschmeckt hatte. Es war der Geschmack von Whiskey. Du musstest dir ein Glas genehmigt haben, um den Mut aufzubringen, dich aus deiner Wohnung zu wagen. Der Geschmack war verlockend. Wir bewegten uns, während wir uns küssten. Du übernahmst die Führung. Ohne dich von meinen Lippen zu lösen, lenktest du mich langsam ins Schlafzimmer. Du hattest die Augen offen. Wir fielen in inniger Umarmung aufs Bett. Ich griff nach unten zwischen deine Beine und drang mit der Hand in dich ein. Dir entfuhr ein Seufzen. Dann schobst du mich weg.
»Hier drin ist es eiskalt«, sagtest du zu mir. Bis zu diesem Augenblick war mir das überhaupt nicht aufgefallen. Ich hatte vergessen, das Fenster wieder zu schließen.
»Warte hier«, sagte ich. Ich sah zu dir hinunter und betrachtete, wie du auf dem Bett lagst. Deine Lippen waren rot und glänzten. Ich sah, wie sich deine Brust mit jedem tiefen Atemzug hob und senkte. »Rühr dich nicht von der Stelle.« Ich lief ins Wohnzimmer, um das offene Fenster zu schließen. Im nächsten Moment war ich zurück im Schlafzimmer. Du hattest dich doch bewegt. Ich hätte es besser wissen müssen und nicht glauben dürfen, du würdest passiv auf mich warten. Ich kam zurück und sah, dass du bereits unter die Bettdecke gekrochen warst. Mein Blick wanderte zu dem kleinen Haufen Kleidungsstücke neben dem Bett. Ich blieb einen kurzen Moment in der Türöffnung stehen, sprachlos, und beobachtete, wie sich die Bettdecke über dir bewegte, als du langsam dein letztes Kleidungsstück auszogst und eine winzige rosafarbene Unterhose oben auf den Haufen abgelegter Bekleidung warfst.
Dann lächeltest du. Die Angst war verschwunden. Erregung und Whiskey hatten ihr den Garaus gemacht. »Und, kommst du jetzt hier drunter und wärmst mich oder nicht?« Ich trat einen Schritt zur Seite und schaltete das Licht im Schlafzimmer aus. Die einzige Lichtquelle war jetzt das Fenster, durch das eine Mischung aus dem bläulichen Mondlicht und dem Schein der Straßenlaternen ins Zimmer drang. Das weiche Licht ließ alles leuchten. Es war wie in einem Traum. Ich zog mich langsam unter deinen Blicken aus. Dann kroch ich zu dir unter die Decke.
Am nächsten Morgen wachten wir eng umschlungen auf. Ich fühlte mich verkatert, als sei ich soeben aus einem langen Schlaf erwacht, und durcheinander, was die Geschehnisse der vergangenen Nacht anbelangte. Die Sonne schien hell zum Fenster herein. Dein Haar war zerzaust, deine Augen waren verschlafen, doch du sahst wunderschön aus. Ich wachte vor dir auf. Während du noch schliefst, lag ich da und betrachtete dich. Ich war mir nicht sicher, was ich davon halten sollte, was passiert war. Dann hast du die Augen geöffnet und mich dabei ertappt, wie ich dich anstarrte. Einen Moment lang war ich hin- und hergerissen. Ich wusste, dass ich nicht gut für dich war. Ich hätte dich damals sofort aus meinem Leben vertreiben sollen. Das wäre das einzig Richtige gewesen. Ich hätte dich vor mir schützen sollen. Als ich dich in der hellen Morgensonne betrachtete, fing ich stattdessen an zu glauben, du könntest mich womöglich retten. Ich wusste nur nicht, wovor.
Warte noch das Wochenende ab , dachte ich.
Wir hatten an diesem Tag beide Dinge zu erledigen. Du musstest eine Hausarbeit schreiben. Ich musste eine Pistole besorgen. Ich glaube, wir waren beide erleichtert, für kurze Zeit voneinander getrennt zu sein, um Bilanz zu ziehen, um zu versuchen zu verstehen, was mit uns geschah, aber wir wagten es nicht, uns zu lange nicht zu sehen. Deshalb vereinbarten wir, uns in der Nähe der sicheren Unterkunft zum Abendessen zu treffen.
Nachdem du gegangen warst, machte ich mich auf die Suche nach einem Münztelefon. Ich hätte vom Festnetzanschluss in der sicheren Unterkunft telefonieren können, aber da ich wusste, dass du noch mehr Zeit dort verbringen würdest, beschloss ich, kein Risiko einzugehen. Ich wollte verhindern, dass irgendetwas mit dir in Verbindung gebracht werden konnte. Ein funktionierendes Münztelefon zu finden war eine echte Geduldsprobe. Ich gehörte zu den wenigen Leuten, deren Job durch den Umstand erschwert wurde, dass inzwischen fast jeder ein
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