Der Hinterhalt
Ich wünschte, ich könnte es«, erwiderte ich. Ich wollte dich nicht anlügen.
»Liegt das daran, dass du verheiratet bist?« Du tatest so, als würdest du scherzen. Ich sah, dass du es ernst meintest.
»Nein. Nicht verheiratet.« Du warst bereits jetzt die längste Beziehung, die ich jemals gehabt hatte. Vor dir war alles immer nur für eine Nacht gewesen.
»Ehrenwort?«
»Ehrenwort.«
»Hast du eine Freundin?«
»Zählst du?« Du hast gelacht. »Hör mir zu, Maria. Seit ich dich kenne, gibt es zwei Frauen in meinem Leben – meine Mutter und dich.«
Du hieltest inne, um meine Bemerkung zu überdenken, da du noch immer versuchtest, mein Geheimnis zu ergründen. Ich wusste, dass mein Geheimnis in Sicherheit war, dass es zu unglaublich war, als dass du es hättest erraten können. »Dann schläfst du also mit deiner Mutter?« Während du lachtest, nahm ich deinen Kopf in die Hände, zog dein Gesicht zu mir her und küsste dich abermals. Ich wusste, dass ich es niemals müde werden würde, dich zu küssen. Ich wollte dich daran hindern, mir noch mehr Fragen zu stellen, die ich nicht beantworten konnte, und hoffte, der Kuss würde als Antwort genügen. Er genügte nicht.
Du begannst eine Bestandsaufnahme. »Also, keine Freundin. Keine Frau. Arbeitest du für die Regierung?« Ich schüttelte den Kopf. »Was hast du dann zu verbergen? Sag mir einfach, was du tust. Ich möchte dich kennen .« Du tratst mich unter der Bettdecke.
»Ich kann es dir sagen«, entgegnete ich schließlich, »aber ich müsste lügen. Möchtest du, dass ich dich anlüge?«
Du dachtest kurz nach, überlegtest genau. Dann sahst du mir in die Augen. »Nein. Ich möchte nicht, dass du mich anlügst. Ich möchte, dass du mich niemals anlügst.« Dann hast du mich geküsst. Ich spürte den Kuss bis in die Zehen. Die Fragen hörten vorerst auf, doch ich wusste, dass ich sie eines Tages würde beantworten müssen. Ich nahm an, dass du dich an diesem Tag entscheiden würdest, ob du bei mir bleiben willst oder nicht. Manchmal trifft jedoch das Leben die Entscheidungen für uns.
Am nächsten Morgen, Sonntag, hast du mich in eine der Uni-Bibliotheken geschmuggelt. Du musstest einige Dinge recherchieren. Ich ergriff die Gelegenheit beim Schopf und benutzte einen der Bibliothekscomputer, um ebenfalls Recherche zu betreiben. Ich informierte mich über Überwachungskameras und notierte mir alles, was ich finden konnte: Erfassungswinkel, Wärmesensoren und so weiter. Den Sonntagnachmittag verbrachten wir im Park. Ich hielt dich so weit wie möglich von dem Haus meiner Zielperson fern und versuchte, nicht an morgen, übermorgen oder den Tag danach zu denken. Wir schlenderten durch den Park oben auf dem Mount Royal, blieben stehen und blickten auf die Stadt hinunter, auf unsere Stadt. An diesem Tag und aus dieser Perspektive war Montreal der schönste Ort, den ich jemals gesehen hatte. Auch dieses Mal bliebst du über Nacht.
Am Montagmorgen machtest du dich früh auf den Weg zur Uni. Ich ging ebenfalls früh aus dem Haus. Ich mochte es nicht, wie sich die Wohnung anfühlte, wenn du nicht da warst. Den Tag verbrachte ich damit, das Haus meiner Zielperson ein letztes Mal auszuspionieren. Alles lief wie ein Uhrwerk. Meine Zielperson wachte zur selben Uhrzeit auf wie an den beiden Tagen zuvor, zog sich zur selben Uhrzeit an und machte sich zur selben Uhrzeit auf den Weg zur Arbeit. Der zweite Bodyguard traf zur selben Uhrzeit ein. Die Hausangestellte traf zur selben Uhrzeit ein. Der Tagesablauf der Hausangestellten war derselbe. Sie ging jeden Tag in derselben Reihenfolge von Zimmer zu Zimmer. Als Erstes räumte sie in der Küche auf, dann putzte sie die Badezimmer, und anschließend wischte sie Staub und saugte. Sobald die Zimmer sauber waren, ging sie bis ans Ende der Zufahrt, um die Post zu holen. Nachdem sie wieder zurück war, wechselte sie die Bettwäsche und wusch. Anscheinend war der Toxikologie-Experte ein ziemlicher Bazillen-Paranoiker.
Am Abend sahen wir uns erneut. Ich sagte dir, dass ich glaubte, mich in dich zu verlieben. Du sagtest mir, dass ich ein Idiot sei, dass es noch zu früh sei, von so etwas zu sprechen. Was du nicht wusstest, war, dass ich Montreal in zwei Tagen verlassen würde, wenn alles nach Plan lief. Ich wusste nicht, wie ich dir das sagen sollte. Also sagte ich es dir nicht. Ich sagte dir nur, dass ich am Dienstag den ganzen Tag arbeiten müsse und wir uns deshalb nicht sehen könnten. »Dann eben am Mittwoch«, sagtest du und
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