Der Hinterhalt
klingenden Damen, die mich immer durchstellten, wenn ich beim Geheimdienst anrief, ermordet worden war. In meinen Augen war das eine fürchterliche Verschwendung, sowohl auf unserer Seite als auch auf der Seite der anderen.
Mein drittes Opfer war ein einundzwanzigjähriger junger Mann in Washington, D. C. Er war arm, wohnte mit seiner gesamten Familie in einem Mietshaus im Südosten der Stadt und leistete heftigsten Widerstand. Ich musste mich anschließend zwei Tage in einem Hotelzimmer einquartieren, um mich zu erholen. Ich trug eine kleine Stichwunde sowie Kratzer und Blutergüsse am ganzen Körper davon. Er hatte mit achtzehn angefangen, für die anderen zu töten, und bereits eine lange Liste von Morden vorzuweisen. Er war äußerst brutal. Sobald ihm klar war, dass er nicht überleben würde, gab er sich alle Mühe, mich mit in den Tod zu reißen. Bevor er starb, fragte ich ihn, warum er für sie tötete. Warum er für Leute kämpfte, die ihm ganz offensichtlich nichts dafür gaben. Seine Antwort lautete: »Sie geben mir Hoffnung.« Das waren seine letzten Worte.
An meinem zweiten Tag im Hotel, als ich noch immer damit beschäftigt war, meine Wunden zu säubern, und versuchte, wieder zu Kräften zu kommen, erhielt ich einen Anruf. Als das Telefon in meinem Hotelzimmer läutete, war ich unschlüssig, ob ich abheben sollte. Ich wurde nie angerufen. Niemand durfte wissen, wo ich mich gerade aufhielt. Allen wusste es zwar, hätte sich aber auf keinen Fall einen solchen Verstoß gegen die Vorschriften erlaubt. Doch das Telefon läutete weiter. Wenn es sich um jemanden gehandelt hätte, der sich verwählt hatte, hätte er inzwischen aufgelegt. Nach dem siebten oder achten Klingeln nahm ich den Hörer ab.
»Joe«, sagte eine vertraute Stimme am anderen Ende der Leitung. »Ich dachte schon, du hebst gar nicht mehr ab.«
»Jared«, entgegnete ich, »du kannst dir gar nicht vorstellen, wie gut es tut, dich zu hören. Wie hast du mich ausfindig gemacht?«
»Vergiss das«, antwortete Jared. »Hör mal, ich bin in Washington. Hast du für heute Abend schon irgendwelche Pläne?« Pläne? Welche Pläne hätte ich schon haben sollen?
»Na ja, ich wollte mir was zu essen aufs Zimmer bestellen und mir vielleicht auf dem Pay- TV -Kanal einen Film anschauen«, sagte ich.
Jared lachte. »Wie wär’s, wenn du deine Pläne änderst und mit mir was trinken gehst?« Nichts hätte mich davon abhalten können. Ich war auf einem Tiefpunkt angelangt wie nur selten zuvor. Es hatte fast den Anschein, als hätte Jared das irgendwie geahnt, als hätte er genau gewusst, dass ich Hilfe nötig hatte. Jared schlug als Treffpunkt eine alte Bar in Georgetown vor. Die Bar sei ein bisschen ab vom Schuss, doch genau das mache ihren Reiz aus. Es werde dort nicht viel los sein. Wir würden uns unterhalten können.
Jared saß bereits in einer Nische im hinteren Bereich des Raums, als ich die Bar betrat. Sie war ziemlich düster. Der Boden, die Theke und die Sitznischen waren aus altem, dunklem Holz gefertigt. Die Jukebox spielte Frank Sinatra. Jared hätte mir nicht zu winken brauchen. Ich entdeckte ihn sofort, da ich wusste, in welcher Nische er sitzen würde: in derjenigen, die am weitesten von allen anderen Gästen entfernt war. Es waren ungefähr ein halbes Dutzend andere Leute da, die alle an der Theke saßen und sich ein Basketballspiel ansahen. Ich ging an ihnen vorbei zu Jareds Sitznische. Als er mich kommen sah, stand er auf, um mich zu umarmen. Ich hatte nach meinem letzten Job noch immer Probleme beim Gehen. Es würde eine Weile dauern, bis die Blutergüsse abheilten. »Alles in Ordnung mit dir?«, erkundigte sich Jared, als wir uns setzten.
»Ja«, antwortete ich. »Ich erhole mich nur gerade von einem harten Job.«
»Davon habe ich gehört«, sagte Jared.
»Tatsächlich?« Eine solche Äußerung war untypisch für Jared. Wir durften eigentlich nichts über die Jobs anderer wissen. Wir sollten uns ausschließlich auf unsere eigenen Aufgaben konzentrieren.
»Was soll ich sagen? Ich habe gute Beziehungen.« Jared winkte die Kellnerin herbei. Er hatte noch nichts zu trinken. Sie kam, um unsere Bestellung aufzunehmen. Ich versuchte weiterhin zu verarbeiten, was Jared mir soeben gesagt hatte. Jared bestellte einen Manhattan. Ich folgte seinem Beispiel und bestellte einen Scotch on the rocks, da heute Abend offenbar harte Sachen auf dem Programm standen. Bevor ich wieder etwas sagte, wartete ich, bis die Kellnerin gegangen war.
»Bist
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