Der Hintermann
Nadia das las, bekam sie feuchte Augen. Zum Abschied umarmte sie Gabriel auf eine Weise, bei der Schamron sich sichtbar unbehaglich fühlte.
»Gibt es etwas, das du mir über unser Mädchen erzählen möchtest?«, fragte er Gabriel, als sie am Fenster stehend beobachteten, wie Nadia in ihren Wagen stieg.
»Sie gehört zu den bemerkenswertesten Frauen, die ich kenne. Und sollte ihr etwas zustoßen, würde ich mir das nie verzeihen.«
»Erzähl mir etwas, das ich nicht weiß«, sagte Schamron.
»Sie weiß, wer ihren Vater ermordet hat. Und sie vergibt ihm.«
Das Team ging von der Annahme aus, von seinen Feinden beobachtet und von seinen Freunden abgehört zu werden, und verhielt sich entsprechend. Es blieb die meiste Zeit in den Büros von Rogers & Cressey in der Cannon Street eingeigelt und ließ alle Besorgungen von englischem Personal erledigen, das keine direkte Verbindung zu der Operation hatte. Schamron verbrachte die meiste Zeit in einer dem MI5 bekannten sicheren Wohnung des Diensts in der Bayswater Road. Gabriel kam täglich einmal vorbei, um mit ihm einen Spaziergang in den Kensington Gardens zu machen. An ihrem letzten Tag in London wurden sie von den Briten beschattet. Und auch von den Amerikanern.
»Ich habe meine Unternehmen immer lieber allein durchgezogen«, sagte Schamron mit trübseligem Blick zu den Beschattern am Rand des Long Waters hinüber. »Mich wundert es, dass dein Freund, der Präsident, nicht darauf bestanden hat, eine Resolution des UN-Sicherheitsrats zu beantragen.«
»Das habe ich ihm ausreden können.«
»Worüber hast du mit ihm gesprochen?«
»Adrian Carter«, sagte Gabriel. »Ich habe dem Präsidenten klargemacht, dass wir Malik nur liquidieren können, wenn das Justizministerium die Ermittlungen wegen Adrians Rolle im Krieg gegen den Terror einstellt.«
»Er hat zugestimmt?«
»Verklausuliert«, sagte Gabriel, »aber eindeutig. Und er hat auch meiner zweiten Forderung zugestimmt.«
»Welcher?«
»Dass er James McKenna entlassen soll, bevor er uns alle umbringt.«
»Und wir haben immer geglaubt, der Präsident und McKenna seien unzertrennlich.«
»In Washington gibt es keine unzertrennlichen Paare.«
Schamron begann zu ermüden. Sie betraten den Italian Garden und setzten sich auf eine Bank mit Blick auf den Springbrunnen. Schamron fiel es schwer, seine Missbilligung zu tarnen. Wasserkünste langweilten ihn wie alle anderen Formen menschlicher Vergnügungen.
»Ich wollte dir noch erzählen, dass deine Bemühungen uns bereits wertvolles politisches Kapital bei den Amerikanern eingebracht haben«, sagte der Alte. »Gestern Abend hat ihre Außenministerin in aller Stille unsere Bedingungen für die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen mit den Palästinensern akzeptiert. Außerdem hat sie angedeutet, der Präsident sei vielleicht bereit, in naher Zukunft Jerusalem zu besuchen. Wir nehmen natürlich an, dass dieser Besuch vor den nächsten Wahlen stattfinden wird.«
»Unterschätze ihn nicht.«
»Das tue ich nicht«, sagte Schamron, »aber ich weiß nicht recht, ob ich ihn beneide. Der große Arabische Frühling hat in seiner Amtszeit stattgefunden, und von seinem Handeln wird es abhängen, ob im Nahen Osten zukünftig Leute wie Nadia al-Bakari oder Dschihadisten wie Raschid al-Husseini den Ton angeben.« Schamron machte eine Pause. »Selbst ich muss eingestehen, dass ich nicht weiß, wie alles ausgehen wird. Ich weiß nur, dass die Beseitigung eines Verbrechers wie Malik al-Zubair es den Kräften von Anstand und Fortschritt erleichtern wird, sich durchzusetzen.«
»Willst du damit sagen, dass die Zukunft des Nahen Ostens vom Erfolg meines Unternehmens abhängt?«
»Das wäre eine Übertreibung meinerseits«, sagte Schamron. »Und ich habe mich immer bemüht, Übertreibungen möglichst zu meiden.«
»Außer um deine Ziele zu befördern.«
Schamron lächelte schwach und zündete sich eine seiner türkischen Zigaretten an. »Hast du dir schon überlegt, wer die gegen Malik verhängte Strafe vollstrecken soll?«
»Diese Entscheidung dürfte Malik wahrscheinlich selbst treffen.«
»Genau das ist einer der vielen Punkte, die mir an diesem Unternehmen nicht gefallen.« Schamron rauchte einen Moment lang schweigend. »Ich weiß, dass du immer die Endgültigkeit einer Schusswaffe bevorzugt hast, aber in diesem Fall ist die Nadel die weit bessere Option. Laute Schüsse erschweren dir und deinem Team nur die Flucht. Verpass ihm eine kräftige Dosis Suxamethonchlorid. Er
Weitere Kostenlose Bücher