Der Hintermann
gingen. Es war im typischen Emiratsstil errichtet: ein viergeschossiger Würfel mit einigen überdachten Parkplätzen im Erdgeschoss. Im Treppenhaus roch es ebenso nach Kichererbsen und Kreuzkümmel wie in der Wohnung im obersten Stock. Dort gab es einen Herd mit zwei Platten in der Küche und eine Schlafcouch im Wohnzimmer. »Die Nachbarn sind aus Bangladesch«, sagte Michail. »Sie sind dort drüben mindestens zu zwölft. Sie schlafen in Schichten. Irgendjemand sollte der Welt mal erzählen, wie diese Leute hier wirklich behandelt werden.«
»Überlass das einem anderen, Michail.«
»Ich? Ich bin nur ein cleverer junger Mann aus Moskau, der in diesem Eldorado ein Vermögen zu machen versucht.«
»Aber du scheinst dir den falschen Zeitpunkt ausgesucht zu haben.«
»Ohne Scheiß«, sagte Michail. »Noch vor wenigen Jahren hat Dubai in Geld geschwommen. Für die russische Mafia war der hiesige Immobilienmarkt eine Geldwaschanlage. Sie hat Wohnungen und Villen aufgekauft und eine Woche später wieder verkauft. Heutzutage haben sogar die Mädchen im Odessa Mühe, über die Runden zu kommen.«
»Die kommen schon irgendwie zurecht.«
Michail holte einen Koffer aus dem Kleiderschrank, legte ihn auf den Couchtisch und öffnete die Schnappverschlüsse. Er enthielt acht Pistolen – vier Berettas und vier Glocks. Zu jeder gehörte ein Schalldämpfer.
»Die Berettas haben neun Millimeter«, sagte Michail. »Die Glocks sind fünfundvierziger Kaliber. Beide stoppen sie jeden Angreifer. Sie machen große Löcher und viel Lärm, selbst mit aufgesetztem Schalldämpfer. Diese Waffe hier macht hingegen gar keinen Lärm.«
Er nahm einen Toilettenbeutel mit Reißverschluss aus dem Koffer. Die Tasche enthielt ein halbes Dutzend Injektionsspritzen und mehrere Phiolen mit dem Aufdruck INSULIN. Gabriel nahm zwei Spritzen und zwei Phiolen heraus und steckte sie in seine Jackentasche.
»Wie wär’s mit einer Pistole?«, fragte Michail.
»Die sind im Burj al Arab nicht gern gesehen.«
Michail gab ihm trotzdem eine Beretta mit einem Reservemagazin. Gabriel steckte die Waffe hinten in seinen Hosenbund und fragte: »Was für Autos haben wir?«
»BMWs und Toyota Land Cruisers, die neuen Wüstenschiffe. Sollte sich herausstellen, dass der Partner des Jemeniten tatsächlich Malik al-Zubair ist, müsste er sich leicht verfolgen lassen, sobald er das Hotel verlässt. Wir sind hier nicht in Kairo oder im Gazastreifen. Alle Straßen sind breit und schnurgerade. Ist er in eines der anderen Emirate unterwegs, können wir ihm folgen. Will er dagegen nach Saudi-Arabien flüchten, müssen wir ihn erledigen, bevor er die Grenze erreicht. Das könnte schwierig werden.«
»Eine Schießerei in der Wüste möchte ich möglichst vermeiden.«
»Ich natürlich auch. Aber wer weiß? Mit etwas Glück beschließt er, die Nacht in seinem Apartment in Jumeirah Beach zu verbringen. Von uns bekommt er ein Medikament, damit er besser schläft, und dann …« Michail brachte den Satz nicht zu Ende. »Na, und wie ist’s im Burj?«
»Genau so, wie man’s vom einzigen Siebensternehotel der Welt erwarten würde.«
»Hoffentlich lässt du es dir dort gutgehen«, sagte Michail missgünstig.
»Hättest du auf mich gehört, würdest du jetzt mit Sarah in Amerika leben.«
»Wovon leben?«
Gabriel schwieg einen Augenblick. »Es ist noch nicht zu spät, Michail«, sagte er dann. »Aus irgendwelchen Gründen liebt sie dich noch immer. Das müsste selbst ein Trottel wie du bemerken.«
»Mit uns beiden klappt’s einfach nicht.«
»Weshalb nicht?« Gabriel sah sich in der schmuddeligen kleinen Wohnung um. »Weil du einen Lebensstil wie diesen hier führen willst?«
»Du musst das gerade sagen!« Michail klappte den Koffer zu und stellte ihn in den Kleiderschrank zurück. »Hat sie dich gebeten, mit mir zu reden?«
»Sie würde mich umbringen, wenn sie wüsste, dass ich meinen Mund aufgemacht habe.«
»Was hat sie dir erzählt?«
»Dass du dich ziemlich mies benommen hast.« Gabriel machte eine Pause, dann fügte er hinzu: »Dass du etwas getan hast, das du niemals zu tun geschworen hattest.«
»Ich habe sie nicht misshandelt, Gabriel. Ich bin nur …«
»… in der Schweiz durch die Hölle gegangen.«
Michail gab keine Antwort.
»Tu dir selbst einen Gefallen, wenn diese Sache vorüber ist«, sagte Gabriel. »Finde einen Grund für eine Reise nach Amerika. Sieh zu, dass du etwas Zeit mit ihr verbringst. Wenn es eine Frau gibt, die verstehen kann, was du
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