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Der Hintermann

Der Hintermann

Titel: Der Hintermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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spürt nur einen Nadelstich. Dann bekommt er keine Luft mehr, weil Lähmungserscheinungen einsetzen. Wenige Minuten später ist er tot. Und ihr besteigt auf dem Flughafen eine Privatmaschine.«
    »Suxamethonchlorid hat eines mit einer Kugel gemeinsam«, sagte Gabriel. »Es bleibt nach dem Tod des Opfers lange in seinem Körper. Die Gerichtsmediziner in Dubai würden es finden, und die dortige Polizei könnte das gesamte Puzzle zusammensetzen.«
    »Das ist der Preis für Einsätze in modernen Hotels. Pass bloß auf, dass dich keine Überwachungskamera erwischt. Geht dein Bild noch mal durch die Presse, erschwert das deine Rückkehr ins Zivilleben.« Schamron musterte Gabriel einige Sekunden lang schweigend. »Dorthin willst du doch zurück, nicht wahr?«
    Gabriel gab keine Antwort. Schamron ließ die Kippe fallen und trat sie mit dem Absatz im Kies aus.
    »Du kannst mir keinen Vorwurf machen, weil ich’s versucht habe«, sagte der Alte.
    »Ich wäre enttäuscht gewesen, wenn du’s nicht getan hättest.«
    »Ich habe tatsächlich zu hoffen gewagt, diesmal könnte’s anders sein.«
    »Weshalb?«
    »Weil du deine Frau nach Dubai mitnimmst.«
    »Ich konnte nicht anders. Sie hat darauf bestanden.«
    »Du forderst den Präsidenten der Vereinigten Staaten auf, sich von einem seiner engsten Mitarbeiter zu trennen, aber du knickst vor einem Ultimatum deiner Frau ein?« Schamron schüttelte den Kopf, dann sagte er: »Vielleicht hätte ich sie als nächste Direktorin des Diensts vorschlagen sollen.«
    »Mit Bella Navot als ihrer Stellvertreterin.«
    »Bella?« Der Alte lächelte. »Die arabische Welt würde erzittern.«
    Zehn Minuten später gingen sie am Lancaster Gate auseinander. Schamron kehrte in die sichere Wohnung des Diensts zurück, während Gabriel zum Flughafen Heathrow hinausfuhr. Als er dort ankam, war er Roland Devereaux, geboren in Grenoble, Frankreich, wohnhaft in Quebec, Kanada. Er hatte den Reisepass eines Mannes, der viel unterwegs ist, und benahm sich entsprechend. Nach Check-in und Passkontrolle machte er sich – weiterhin unter heimlicher MI5-Aufsicht – auf den Weg zur First Class Lounge von British Airways. Dort wählte er einen ruhigen Platz weit von den Alkoholikern entfernt, die das kostenlose Getränkeangebot nutzten, und verfolgte die Fernsehnachrichten. Weil ihn eine oberflächliche Diskussion über die gegenwärtige Terrorgefahr langweilte, schlug er seinen Notizblock auf und zeichnete aus dem Gedächtnis eine schöne junge Frau mit rabenschwarzem Haar. Es war das Porträt einer unverschleierten Frau, sagte er sich. Das Porträt einer Spionin.
    Als sein Flug aufgerufen wurde, zerriss Gabriel die Skizze augenblicklich in kleine Fetzen, die er auf dem Weg zum Flugsteig in drei verschiedene Abfallkörbe warf. Nachdem er an Bord saß, warf er einen letzten Blick in seinen E-Mail-Account. Es waren mehrere neue eingegangen, doch bis auf eine waren sie alle unwichtig. Diese eine kam von einer Frau, die ihren Namen nicht preisgab und ihm erklärte, sie habe ihn von Anfang an geliebt. Als er das Blackberry ausschaltete, durchfuhr ihn ungewohnte Panik. Dann schloss er die Augen und ging sein Unternehmen in Gedanken nochmals durch.

54
    D UBAI
    Die Blätter der Palmeninsel Jumeirah, der größten künstlichen Insel der Welt, lagen flach im lauwarmen Wasser des Persischen Golfs und schienen unter dem Gewicht unverkaufter Luxusvillen langsam zu versinken. In dem monströsen rosafarbenen Hotel am höchsten Punkt der Palmeninsel plätscherte sanfter Regen auf den Marmorboden der weitläufigen Hotelhalle. Wie fast alles in Dubai war der Regen künstlich. Hier war er jedoch nicht beabsichtigt: In der Decke gab es wieder einmal eine undichte Stelle. Statt der Ursache dafür sofort auf den Grund zu gehen und es reparieren zu lassen, hatte die Direktion sich für ein kleines gelbes Warnschild entschieden, das die wenigen Gäste zur Vorsicht mahnte.
    Vor allem im Bankenviertel etwas weiter die Küste entlang gab es vermehrt Beweise für die Krise, in die der Stadtstaat geraten war. Baukräne, einst geradezu symbolhaft für Dubais Wirtschaftswunder, standen bewegungslos über halbfertigen Büroblocks und Wohntürmen. Die luxuriösen Einkaufspassagen waren beinahe leer, und Gerüchte wollten von arbeitslos gewordenen Europäern wissen, die in den Dünen der Wüste schliefen. Viele waren aus dem Emirat geflüchtet, statt zu riskieren, in sein berüchtigtes Schuldnergefängnis zu wandern. Auf dem Höhepunkt der Krise

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