Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hintermann

Der Hintermann

Titel: Der Hintermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
Vom Netzwerk:
durchgemacht hast, ist das Sarah Bancroft. Lass sie nicht entwischen. Sie ist etwas Besonderes.«
    Michail lächelte traurig, wie die Jungen immer über alte Menschen lächeln. »Geh in dein Hotel«, sagte er. »Versuch zu schlafen. Und versteck die Phiolen so, dass die Zimmermädchen sie nicht finden können. In Dubai gibt’s einen riesigen Schwarzmarkt für gestohlene Medikamente. Ich möchte nicht, dass es einen tragischen Unfall gibt.«
    »Noch irgendwelche Ratschläge?«
    »Nimm dir ein Taxi zurück ins Burj. Hier fahren sie noch gemeingefährlicher als wir. In Dubai gehen nur Arme und Selbstmörder zu Fuß.«
    Entgegen Michails Rat ging Gabriel doch zu Fuß durch die von Menschen wimmelnden Gassen Deiras zum Ufer des Dubai Creeks. Unweit des Haupt-Suks befand sich eine Abra -Anlegestelle. Abras , kleine Holzboote für bis zu zwanzig Personen, waren der Fährdienst über den Creek. Auf der Überfahrt kam Gabriel mit einem müde aussehenden Mann aus den Stammesgebieten Pakistans ins Gespräch. Der Mann war nach Dubai gekommen, um den Taliban und der al-Qaida zu entgehen. Er hatte gehofft, hier genug zu verdienen, um seine Frau und seine vier Kinder nachkommen lassen zu können. Aber bisher hatte er nur Gelegenheitsarbeit gefunden, von der er kaum allein leben konnte.
    Als sie von Bord der Fähre gingen, steckte Gabriel heimlich fünfhundert Dirham in die Tasche der weiten Hose des Mannes. Dann machte er bei einem die ganze Nacht geöffneten Kiosk halt und kaufte ein Exemplar der Khaleej Times , der hiesigen englischsprachigen Zeitung. Auf der Titelseite wurde der Besuch von Nadia al-Bakari, Präsidentin der AAB Holding, angekündigt. Gabriel klemmte sich die Zeitung unter den Arm und ging ein kurzes Stück weiter, bevor er ein vorbeifahrendes Taxi anhielt. Michail hat recht, dachte er, als er hinten einstieg, um sich in Sicherheit zu bringen. In Dubai gehen nur Arme und Selbstmörder zu Fuß.

55
    D UBAI I NTERNATIONAL A IRPORT
    Seine Königliche Hoheit, der Finanzminister, stand in seiner prachtvoll mit Gold und Kristall gesäumten weißen Kandura am Rand des sonnigen Vorfelds. Rechts neben ihm standen zehn identisch gekleidete Staatssekretäre aufgereiht, und rechts neben diesen wiederum lungerte eine Horde gelangweilt aussehender Reporter herum. Der Minister, die Staatssekretäre und die Reporter hatten sich zu dem mit Zeitaufwand betriebenem Ritual der Emirate am Persischen Golf eingefunden: der Ankunft auf dem Flughafen. In einer Welt, in der es keine Tradition unabhängiger Berichterstattung gab, galten Flughafenankünfte und -abflüge als journalistische Höhepunkte. Man sah den Würdenträger landen. Man sah den Würdenträger nach produktiven, von gegenseitigem Respekt geprägten Gesprächen wieder abfliegen. Bei diesen Ereignissen wurde selten die Wahrheit gesagt, und die geknebelte Presse hätte nie gewagt, über sie zu berichten. Die heutige Zeremonie würde eine Art Meilenstein darstellen, denn in wenigen Minuten würden selbst die Prinzen getäuscht werden.
    Das erste Flugzeug erschien kurz nach Mittag: ein silbrig weißes Aufblitzen über einer Wolke aus rosa Staub, die aus dem Leeren Viertel Saudi-Arabiens heranzog. An Bord war ein britischer Großunternehmer namens Thomas Fowler, der überhaupt kein Engländer und in Wirklichkeit fast mittellos war. Als er die Fluggasttreppe herabstieg, folgten ihm seine Frau, die nicht wirklich seine Frau war, und drei Mitarbeiterinnen, die weit mehr von islamischem Terrorismus als von Weltwirtschaft und Finanzmärkten verstanden. Eine von ihnen arbeitete bei der Central Intelligence Agency, während die beiden anderen dem israelischen Geheimdienst angehörten. Auch die Bodyguards, von denen die Gruppe eskortiert wurde, waren israelische Geheimagenten, obwohl ihre Pässe sie als australische und neuseeländische Staatsbürger auswiesen.
    Der britische Großunternehmer marschierte auf den Minister zu, wobei er die Hand wie ein Bajonett ausstreckte. Die Hand Seiner Königlichen Hoheit kam träge aus ihrem Gewand hervor, und die zehn Staatssekretäre folgten seinem Beispiel. Nach der zeremoniellen Begrüßung wurde der Engländer zu den wartenden Reportern begleitet, um ein kurzes Statement abzugeben. Er sprach frei, aber sehr nachdrücklich und leidenschaftlich. Die Rezession in Dubai sei vorüber, erklärte er. Nun sei es Zeit, den Marsch in die Zukunft fortzusetzen. Die arabische Welt sei in stetem Wandel begriffen, und nur Dubai – ein fortschrittliches,

Weitere Kostenlose Bücher