Der Hintermann
abhörsicheres Funkgerät an die Lippen und wies sein Team an, die Vollstreckung des Urteils vorzubereiten. Der Mann sei Malik al-Zubair, sagte er. Und Gott sei ihnen allen gnädig.
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H OTEL B URJ AL A RAB , D UBAI
Eine halbe Minute später erschien der schlaksige Russe an der Rezeption. Er hatte ein fein geschnittenes, blutloses Gesicht und eine Augenfarbe wie Gletschereis. Sein amerikanischer Pass wies ihn als Anthony Colvin aus, und auf diesen Namen lief auch seine American-Express-Karte. Während er darauf wartete, dass die hübsche Filipina seine Reservierung fand, trommelte er mit den Fingern einer Hand auf die Empfangstheke. Mit der anderen Hand hielt er sein Mobiltelefon ans Ohr gepresst.
»Da haben wir Sie, Mr. Colvin«, zwitscherte die Filipina. »Drei Nächte in einer Luxussuite mit einem Schlafzimmer im achtundzwanzigsten Stock. Ist das korrekt, Sir?«
»Wenn’s Ihnen nichts ausmacht«, sagte er und ließ sein Handy sinken, »hätte ich lieber eine im vierzehnten Stock.«
»Der Achtundzwanzigste ist aber begehrter.«
»Meine Frau und ich haben unsere Flitterwochen im Vierzehnten verbracht. Deshalb möchten wir wieder dort wohnen. Aus emotionalen Gründen«, fügte er hinzu. »Das verstehen Sie doch bestimmt.«
Das tat die Filipina nicht. Sie arbeitete in Zwölfstundenschichten und teilte sich eine Einzimmerwohnung in Deira mit vier weiteren jungen Frauen. Ihr Liebesleben bestand daraus, dass sie betrunkene Grapscher und Vergewaltiger abwehrte, die fälschlicherweise annahmen, sie arbeite schwarz in dem in Dubai florierenden horizontalen Gewerbe. Ihre Finger klapperten über die Computertastatur, dann setzte sie ein künstliches Lächeln auf.
»Tatsächlich«, sagte sie, »sind im vierzehnten Stock einige Suiten frei. Wissen Sie noch, in welcher Ihre Frau und Sie die Flitterwochen verbracht haben?«
»In Nummer 1437, glaube ich«, sagte er.
Ihr Lächeln wirkte nun bedauernd. »Diese Suite ist leider besetzt, Mr. Colvin. Aber ich könnte Ihnen die links daneben oder die direkt gegenüber geben.«
»Dann nehme ich die direkt gegenüber.«
»Die liegt jedoch preislich etwas höher.«
»Kein Problem«, sagte der Russe.
»Dann bräuchte ich noch den Pass Ihrer Frau.«
»Die kommt erst morgen nach.«
»Dann lasse ich sie bitten, kurz vorbeizukommen.«
»Wird gemacht«, versicherte er ihr.
»Brauchen Sie Hilfe mit Ihrem Gepäck?«
»Danke, ich komme allein zurecht.«
Sie gab ihm zwei Schlüsselkarten und deutete zu dem Aufzug hinüber, den er nehmen sollte. Wie versprochen lag seine Suite genau gegenüber von 1437. Gleich nachdem er sie betreten hatte, knipste er das Schild Do Not Disturb an, sperrte die Tür ab und legte die Sicherungskette vor. Dann öffnete er seinen Koffer. Die wenigen Kleidungsstücke, die er enthielt, stanken nach Kichererbsen und Kreuzkümmel. Außerdem lagen darin eine 9-mm-Beretta, eine Glock Kaliber .45, zwei Injektionsspritzen, zwei Phiolen Suxamethonchlorid, ein Laptop und eine Glasfaserkamera. Die Kamera brachte er unter der Zimmertür an, dann verkabelte er sie mit dem Computer. Nachdem er den Aufnahmebereich nachjustiert hatte, füllte er die Injektionsspritzen mit Suxamethonchlorid und die Pistolenmagazine mit Patronen. Dann setzte er sich vor den Laptop und wartete.
In der folgenden Dreiviertelstunde bekam er Ansichten des Hotels zu sehen, die das Burj al Arab weder auf seiner Website noch in seinen Hochglanzbroschüren zeigte. Abgehetzte Zimmerkellner. Müde Zimmermädchen. Ein äthiopisches Kindermädchen, das ein hysterisches Kind an der Hand führte. Ein australischer Geschäftsmann, der Arm in Arm mit einer ukrainischen Prostituierten vorbeiging. Und um Punkt zweiundzwanzig Uhr sah er, wie eine schöne Araberin von einem wachsamen Leibwächter begleitet Zimmer 1437 verließ. Als die beiden verschwunden waren, beugte sich ein breitschultriger Mann aus der Tür und suchte den Korridor nach links und rechts ab. Weiße Kandura , weiße Ghutra . Goldgeränderte Brille mit getönten Gläsern. Gepflegter schwarzer Vollbart mit grauen Strähnen ums Kinn herum. Der Russe griff nach der Glock, die jeden Angreifer stoppen konnte, und lud sie leise durch.
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Für die Einzelheiten von Nadia al-Bakaris Abreise aus dem Burj al Arab war nicht Gabriel oder sein Team, sondern Mansur zuständig, der die Reisestelle der AAB Holding leitete. Gepäck gab es keines mehr zu holen, denn darum hatte Mansur sich schon persönlich
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