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Der Hintermann

Der Hintermann

Titel: Der Hintermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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ANGLEY – R IAD
    Über vierundzwanzig Stunden sollten verstreichen, bevor die AAB Holding endlich mitteilte, Nadia al-Bakari, ihre Vorstandsvorsitzende und Alleinaktionärin, werde vermisst und sei vermutlich entführt worden. Wie es in der Pressemitteilung des Unternehmens hieß, war sie zum Zeitpunkt ihres Verschwindens in Dubai auf der Fahrt von dem berühmten Hotel Burj al Arab zum Flughafen gewesen. Aus ihrer Limousine war zweimal telefoniert worden – beide Male vom Telefon des bewährten Chefs ihres Sicherheitsdiensts. Mit dem ersten Anruf hatte er den Leiter der Reisestelle bei AAB angewiesen, den Start von 23   Uhr auf 22.45   Uhr vorzuverlegen. Sieben Minuten später hatte er nochmals angerufen und mitgeteilt, Frau al-Bakari fühle sich nicht wohl und werde ins Hotel zurückkehren, um dort zu übernachten. Es sei jedoch ihr Wunsch, hatte er gesagt, dass ihre Mitarbeiter wie geplant nach Paris zurückkehrten. Verständlicherweise beurteilte die Polizei der Emirate diesen zweiten Anruf als höchst verdächtig, obwohl noch ermittelt werden musste, ob der Sicherheitschef ein Mitverschwörer oder nur ein weiteres Entführungsopfer gewesen war. Jedenfalls war er ebenso verschwunden wie der Chauffeur von Nadia al-Bakaris Limousine.
    Erwartungsgemäß löste diese Mitteilung Schockwellen auf den ohnehin schon nervösen Finanzmärkten aus. In Europa, wo AAB auf vielen Gebieten engagiert war, brachen die Aktienkurse ein, und der Handel an der Wall Street eröffnete deutlich niedriger. Am schlimmsten waren die Auswirkungen für Dubai. Nachdem das Emirat unzählige Milliarden dafür ausgegeben hatte, sich als Oase der Stabilität inmitten einer turbulenten Region zu profilieren, erschien es jetzt als ein Ort, an dem nicht einmal schwer bewachte Milliardäre sicher waren. Der Herrscher beteuerte im Fernsehen, sein Stadtstaat sei sehr wohl sicher und die Geschäfte gingen wie gewohnt weiter. Aber Investoren in aller Welt bezweifelten das. Sie überfluteten dortige Unternehmen und Investmentfonds mit einer erbarmungslosen Welle von Verkaufsorders, nach der die City of Gold erneut kurz vor dem Bankrott stand.
    Als weitere vierundzwanzig Stunden ohne Nachricht über Nadia al-Bakaris Schicksal verstrichen, blieb den Medien nichts anderes übrig, als wilde Spekulationen über den vermutlichen Grund für ihre Entführung anzustellen. Eine Theorie lautete, sie sei von russischen Gangstern ermordet worden, die bei Geschäften mit der AAB Holding Millionen verloren hatten. Eine andere besagte, sie habe mit ihrer öffentlichen Forderung nach besserer Behandlung von Gastarbeitern mächtige Interessen in Dubai gegen sich aufgebracht. Und eine dritte behauptete, die angebliche Entführung sei nur eine List gewesen, denn Nadia al-Bakari, eine der reichsten Frauen der Welt, habe aus allein ihr bekannten Gründen abtauchen wollen.
    Leider wurde gerade die letzte Theorie von bestimmten Medien begierig aufgegriffen, sodass es bald eine Flut von Meldungen aus aller Welt gab, Nadia sei in diesem oder jenem Luxusresort gesehen worden. Die Krönung war ein Bericht darüber, sie lebe nun mit dem Sohn des reichsten Schweden auf einer einsamen Ostseeinsel zusammen.
    Diese Meldung erschien an dem Tag, an dem das Königreich Saudi-Arabien schließlich mitteilte, Nadia al-Bakaris Leichnam sei im Leeren Viertel aufgefunden worden. Nach saudischer Darstellung hatten in ihrer Nähe mehrere tote Männer gelegen – darunter auch ihr Sicherheitschef. Die Männer waren wie Frau al-Bakari erschossen worden. Verdächtige gab es nach Auskunft der saudischen Behörden vorerst keine.
    Wie die meisten amtlichen Verlautbarungen aus Saudi-Arabien erzählte auch diese Pressemitteilung nur einen Teil der Story. Beispielsweise erwähnte sie nicht, dass der saudische Geheimdienst die näheren Umstände der Ermordung Frau al-Bakaris längst in all ihren Details kannte. Sie ließ auch unerwähnt, dass eine saudische Militärpatrouille die tote Milliardärin und den einzigen Überlebenden nur wenige Stunden nach der Schießerei aufgefunden hatte. Der schwer verwundete Überlebende war zum jetzigen Zeitpunkt Gegenstand intensiver, aber streng geheimer Verhandlungen zwischen der Central Intelligence Agency und der ihr freundlich gesinnten Kreise im Haus Saud. Bei diesen Gesprächen hatte es bisher noch keinen Durchbruch gegeben. Für die saudi-arabische Regierung existierte dieser Mann gar nicht. Sie versprach, ihn suchen zu lassen, wollte aber keine großen

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