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Der Hintermann

Der Hintermann

Titel: Der Hintermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Glauben abgefallen, Malik. Lassen Sie sie frei.«
    »Sie hat gegen uns gearbeitet. Sie muss bestraft werden. Und wegen Ihrer Sünden sollen Sie den ersten Stein werfen.«
    »Das tue ich bestimmt nicht.« Gabriel suchte den Himmel ab. Eine letzte Täuschung. Eine letzte Lüge. »Und Sie werfen auch keinen, Malik.«
    Malik al-Zubair lächelte mitleidig.
    »Wir sind hier nicht in Pakistan oder im Jemen, Allon. Dies ist Saudi-Arabien. Und die Amerikaner würden niemals eine Hellfire auf das Gebiet ihrer wichtigen saudischen Verbündeten abschießen. Außerdem weiß niemand, wo Sie sind. Sie sind völlig allein.«
    »Wissen Sie das bestimmt, Malik?«
    Anscheinend nicht. Ohne Nadias Haar loszulassen, hob er das Gesicht zum Himmel. Das taten jetzt alle, auch al-Kamal. Er stand mit Säbel und Kamera eineinviertel Meter links neben Gabriel.
    »Horchen Sie aufmerksam«, sagte Gabriel. »Können Sie die Drohne hören? Sie kreist genau über uns. Sie beobachtet uns mit ihren Kameras. Lassen Sie Nadia frei, Malik. Sonst sterben wir alle in einem grellen Lichtblitz. Dann gehen Sie zu Ihrem Gott, und Nadia und ich gehen zu unserem.«
    »Es gibt nur einen Gott, Allon. Es gibt nur Allah.«
    »Hoffentlich haben Sie recht, Malik, denn Sie werden bald vor ihn treten. Wollen Sie als Märtyrer sterben? Oder ziehen Sie es vor, das Märtyrertum anderen zu überlassen?«
    Malik stieß Nadia von sich weg, holte wild mit seiner Kalaschnikow aus und schlug nach Gabriels Kopf. Gabriel wich dem Schlag mühelos aus und rammte Malik sein Knie so in den Unterleib, dass der Terrorist mit einem Aufschrei zusammenbrach. Dann warf Gabriel sich mit ausgestreckten Armen und flach zusammengelegten Händen herum. Seine Handkanten trafen Rafiq al-Kamal unter dem Kinn und zerschmetterten ihm den Kehlkopf. Gabriel betrachtete Nadia und die knochenweiße Steinpyramide. Dann sah er zum Himmel auf, schwenkte wie ein Verrückter die Arme und kreischte: »Schießt endlich! Schießt endlich! Malik ist hier! Schießt doch endlich!«
    Adrian Carter, der mit dem Weißen Haus telefoniert hatte, legte auf und vergrub sein Gesicht in den Händen. Uzi Navot sah einige Sekunden länger zu, dann schloss er die Augen. Nur Schamron weigerte sich, wegzusehen. Schließlich war dies alles seine Schuld. Da musste er wenigstens bis zuletzt zusehen.
    Malik hatte sich auf ein Knie gestützt aufgerichtet und tastete blindlings nach seinem AK-47, das ihm aus den Händen gefallen war. Gabriel verfluchte weiter den erbarmungslosen Himmel. Er hörte das metallische Ritsch-Ratsch , mit dem das Sturmgewehr durchgeladen wurde, und sah, wie der Gewehrlauf hochgerissen wurde. Dann nahm er aus dem Augenwinkel heraus Nadias blendend weißes Leichentuch wie eine Geistererscheinung wahr, als sie auf ihn zugestürmt kam. Als sie an der Gewehrmündung vorbeiflog, erblühten auf ihrer Brust schlagartig und brutal zwei hellrote Rosen. Trotzdem war ihr Gesichtsausdruck seltsam heiter, als sie gegen Gabriel fiel. Malik zerrte sie weg und zielte mit der Kalaschnikow in Gabriels Gesicht, aber bevor er nochmals abdrücken konnte, explodierte seine linke Kopfhälfte in einem rosa Nebel. Danach fielen noch mehrere Schüsse, bis nur noch der junge Dschihadi aufrecht stand. Sein Kopf verdeckte die Sonne, als er auf Gabriel hinuntersah und dann betrübt Nadia anstarrte.
    »Es war Allahs Wille, dass sie heute sterben sollte«, sagte er, »aber sie hat wenigstens nicht leiden müssen.«
    »Nein«, sagte Gabriel, »sie musste nicht leiden.«
    »Sind Sie getroffen?«, fragte der Junge.
    »Einmal«, sagte Gabriel.
    »Werden Sie abgeholt?«
    »Irgendwann.«
    »Können Sie durchhalten, bis Sie abgeholt werden?«
    »Ich denke schon.«
    »Ich muss Sie allein zurücklassen. Ich habe eine Frau. Wir erwarten ein Kind.«
    »Junge oder Mädchen?«, fragte Gabriel, den allmählich die Kräfte verließen.
    »Mädchen.«
    »Wissen Sie schon, wie die Kleine heißen soll?«
    »Hanan.«
    »Seien Sie gut zu ihr«, sagte Gabriel. »Behandeln Sie sie immer mit Respekt.«
    Der Junge ging davon, die Sonne brannte Gabriel ins Gesicht. Er hörte einen Motor anspringen, drehte den Kopf zur Seite und sah eine Staubfahne, die übers Sandmeer davonzog. Danach umgab ihn nur noch die leere Stille der Wüste. Er hob noch einmal die Arme zum Himmel, um den Kameras zu signalisieren, dass er noch lebte. Dann schloss er Nadia die Augen und weinte an ihrer Brust, während ihr Körper langsam erstarrte.

T EIL IV
    Die Erweckung

67
    P ARIS – L

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