Der Hintermann
Raschid al-Husseini nach dem 11. September auf der Gehaltsliste der Agency gestanden hat. Dass eine an sich gute Idee sich ins Gegenteil verwandelt hat. Adrian hat an Raschid geglaubt, und der hat sich damit revanchiert, dass er mit unserem Geld ein eigenes Netzwerk aufgebaut hat. Ich vermute, dass Adrian möchte, dass du dieses Problem aus der Welt schaffst – natürlich strikt inoffiziell.«
»Gibt’s denn andere Methoden?«
»Nicht bei deinen Unternehmen«, sagte sie. »Aber was hat das mit mir zu tun?«
»Adrian braucht jemanden, der mich bespitzelt. Du warst die logische Kandidatin.« Gabriel machte eine Pause, dann fügte er hinzu: »Aber wenn du glaubst, das könnte unangenehm sein …«
»Wegen Michail?«
»Vielleicht müsstet ihr wieder zusammenarbeiten, Sarah. Ich möchte vermeiden, dass persönliche Gefühle das reibungslose Funktionieren meines Teams beeinträchtigen.«
»Seit wann hat dein Team jemals reibungslos funktioniert? Ihr seid Israelis. Ihr streitet euch dauernd.«
»Aber ich lasse nie zu, dass persönliche Gefühle operative Entscheidungen beeinflussen.«
»Ich bin Profi«, stellte sie fest. »Bedenkt man, was wir gemeinsam erlebt haben, sollte ich dich nicht daran erinnern müssen.«
»Das brauchst du nicht.«
»Wo fangen wir also an?«
»Wir müssen Raschid etwas besser kennenlernen.«
»Wie wollen wir das anstellen?«
»Indem wir seine CIA-Akten studieren.«
»Aber in denen stehen lauter Lügen.«
»Das stimmt«, sagte Gabriel. »Aber diese Lügen sind wie Übermalungen eines Gemäldes. Entfernt man sie, kann es passieren, dass einem die Wahrheit ins Gesicht starrt.«
»So drückt sich in Langley nie jemand aus.«
»Ich weiß«, sagte Gabriel. »Wenn sie’s täten, wäre ich noch in Cornwall und würde an einem Tizian arbeiten.«
15
G EORGETOWN , W ASHINGTON , D.C.
Am folgenden Morgen bezogen Gabriel und Sarah das Haus an der N Street. Die erste Teillieferung von Unterlagen kam eine Stunde später: sechs Edelstahlbehälter mit elektronischen Schlössern. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund vertraute Carter die Kombinationen nur Sarah an. »Vorschriften sind Vorschriften«, sagte er, »und die Agency besteht darauf, dass Mitarbeiter ausländischer Geheimdienste niemals die Kombination von Aktenbehältern erfahren dürfen.« Auch als Gabriel ihn darauf aufmerksam machte, dass er Zugang zu geheimsten CIA-Unterlagen erhalten würde, blieb Carter unbeugsam. Rein theoretisch würde das Material in Sarahs Besitz bleiben. Notizen sollten auf ein Minimum beschränkt bleiben, und Fotokopieren war verboten. Carter nahm das abhörsichere Faxgerät aus dem Haus selbst mit und verlangte Gabriels Mobiltelefon – ein Ansinnen, das Gabriel höflich ablehnte. Sein Handy, dass ihm der Dienst zur Verfügung gestellt hatte, konnte weit mehr als handelsübliche Mobiltelefone. Tatsächlich hatte er es am Vorabend dazu benutzt, um das Haus nach Abhörmikrofonen abzusuchen. Er hatte vier Wanzen entdeckt. Die Kooperationsbereitschaft der Amerikaner hatte offenbar Grenzen.
Die erste Aktenlieferung betraf Raschid al-Husseinis Zeit in Amerika vor dem 11. September 2001 und seine Verbindungen, strafbar oder zufällig, zu den Verschwörern selbst. Das meiste Material stammte ursprünglich vom FBI, dem weniger glanzvollen Konkurrenten der CIA, und war in der kurzen Zeit ausgetauscht worden, in der beide Dienste auf Anordnung des Präsidenten hätten zusammenarbeiten sollen. Es zeigte, dass Raschid al-Husseini schon wenige Wochen nach seiner Ankunft in San Diego auf dem Radar des FBIs erschienen und Objekt einer eher laschen Überwachung geworden war. Aus kurzen Perioden, in denen die Außenstellen San Diego und Washington Zeit und Personal dafür gehabt hatten, gab es Mitschriften von richterlich angeordneten Abhöraktionen und Fotos des Überwachten. Es gab auch ein Exemplar der geheimen FBI/CIA-Untersuchung, die Raschid offiziell von jeglicher Beteiligung an der 9/11-Verschwörung freisprach. Aus Gabriels Sicht war das ein erstaunlich naiver Bericht, der darauf angelegt war, den Imam so vorteilhaft wie nur möglich darzustellen. Gabriel fand, ein Mann sei nach seinem Umgang zu beurteilen, und hatte genügend Erfahrung mit Terrornetzwerken, um einen Mitverschwörer zu erkennen, wenn er einen sah. Raschid al-Husseini war bestimmt ein Kurier gewesen oder hatte Unterkünfte zur Verfügung gestellt. Zumindest war er ein Mitläufer gewesen. Und nach Gabriels Erfahrung sollten Geheimdienste
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