Der Hintermann
Bronzezeit entstehen lassen. Und im Besitz einer Handvoll einschlägiger Informationen konnte er ein präzises Bild von einem Terrornetzwerk entwerfen.
Jaakov Rossman, ein erfahrener Agentenführer, folgte als Nächster, nach ihm trafen zwei schweigsame Allrounder namens Oded und Mordechai ein. Dann kam Rimona Stern, eine ehemalige Analystin des Militärnachrichtendiensts, die jetzt für Fragen im Zusammenhang mit dem sabotierten irakischen Atomprogramm zuständig war. Rimona mit der Rubensfigur und der rotblonden Mähne war zufällig auch eine Nichte Schamrons. Gabriel kannte sie seit ihrer Kindheit – besonders gern dachte er an das furchtlose kleine Mädchen zurück, das mit dem Roller die steile Einfahrt zum Haus ihres Onkels hinuntergerast war. Noch heute erinnerte eine verblasste Narbe an Rimonas linker Hüfte an einen besonders schweren Sturz. Gabriel hatte einen Notverband angelegt, Gilah hatte Rimonas Tränen getrocknet. Schamron war viel zu durcheinander gewesen, um etwas Nützliches tun zu können. Als einziger Überlebender einer im Holocaust ermordeten Familie konnte er es nicht ertragen, geliebte Menschen leiden zu sehen.
Wenige Minuten nach Rimona traf Jossi Gavisch ein. Jossi, eine hochgewachsene Gestalt in Cordsamt und Tweed mit beginnender Glatze, gehörte zur Führungsspitze der Abteilung Recherche, wie der Dienst seine Abteilung für Analysen nannte. Er war in London geboren, hatte am All Souls in Oxford Altphilologie studiert und sprach Hebräisch mit deutlichem englischen Akzent. Er hatte auch etwas geschauspielert – seine Darstellung des Jago in Shakespeares Othello war seinen Kommilitonen noch in bester Erinnerung – und war ein hervorragender Cellist. Sein musikalisches Talent musste Gabriel erst noch nutzen, aber Jossis schauspielerische Fähigkeiten hatten sich im Einsatz schon oft als nützlich erwiesen. Auf St. Barts gab es ein Strandcafé, dessen Bedienungen ihn für einen geborenen Traummann hielten, und in Genf ein Hotel, dessen Portier sich geschworen hatte, ihn zu erschießen, wenn er sich noch einmal blicken lasse.
Wie meistens kam Michail Abramow als Letzter. Der schlaksige Blonde mit dem fein geschnittenen Gesicht und den gletscherblauen Augen war als Teenager aus Russland nach Israel gekommen und hatte später in der Sajeret Matkal, einer Spezialeinheit der israelischen Armee, gedient. Michail, den Schamron einmal als »Gabriel ohne Gewissen« bezeichnet hatte, hatte die führenden Terrorplaner von Hamas und dem palästinensischen islamischen Dschihad ermordet. Er schleppte zwei Koffer mit elektronischen Geräten herein und begrüßte Sarah mit einem unzweideutig kühlen Kuss. Das würde Eli Lavon später als die frostigste Begrüßung seit dem Tag einstufen, an dem Schamron auf dem Höhepunkt des Friedensprozesses Jassir Arafat hatte die Hand geben müssen.
Die neun Männer und Frauen von Gabriels Team mit dem Decknamen Barak – hebräisch für »Blitz« – hatten viele Eigenarten und viele gemeinsame Traditionen. Zu den Eigenarten gehörte der rituelle kindische Streit über die Zuweisung der Räume. Zu den Traditionen gehörte ein von Chiara zubereitetes üppiges Arbeitsessen am ersten Abend. Dieses Essen in der N Street war schmerzlicher als die meisten, weil es nie hätte stattfinden sollen. Wie alle am King Saul Boulevard hatte das Team erwartet, das Unternehmen gegen das iranische Atomprogramm werde Gabriels letzter Einsatz sein. Das hatten sie von ihrem nominellen Chef Uzi Navot, der darüber nicht unglücklich war, und von Schamron gehört, der darüber verzweifelt war. »Ich hatte keine andere Wahl, als ihn freizusetzen«, hatte Schamron nach seinem berühmten Treffen mit Gabriel auf den kornischen Klippen gesagt. »Diesmal ist’s endgültig.«
Das hätte es sein können, hätte Gabriel nicht Farid Khan entdeckt, als er mit einem Sprengstoffgürtel unter dem Mantel auf der Wellington Street unterwegs war. Die am Esstisch versammelten Männer und Frauen verstanden, wie viel Kraft der Covent Garden Gabriel gekostet hatte. Vor vielen Jahren, in einem anderen Leben, unter einem anderen Namen, hatte er in Wien einen Bombenanschlag, der sein Leben verändert hatte, nicht verhindert. Damals war die Sprengladung nicht am Körper eines Schahids , sondern unter Gabriels Wagen versteckt gewesen. Und die Opfer waren nicht Fremde, sondern Gabriels Angehörige gewesen: seine Frau Leah und sein einziger Sohn Dani. Leah lebte noch heute von schrecklichen Brandwunden
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