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Der Hintermann

Der Hintermann

Titel: Der Hintermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Mitläufer nur in Ausnahmefällen als Einflussagenten nutzen. Es war immer besser, sie zu beobachten und notfalls hart anzufassen.
    Die nächste Lieferung bestand aus den Protokollen von Raschid al-Husseinis Vernehmung durch die CIA und dem Material über das gescheiterte Unternehmen, in dem er die Hauptrolle gespielt hatte. Den Abschluss bildete eine resignierte Analyse aus den Tagen, nachdem Raschid sich nach Mekka abgesetzt hatte. Das Unternehmen, wurde darin festgestellt, sei von Anfang an schlecht geplant gewesen. Dafür wurde vor allem Adrian Carter verantwortlich gemacht, der es zu lasch beaufsichtigt habe. Beigefügt war Carters eigene Analyse, die kaum weniger ätzend war. Weil er weitere Anschläge befürchtete, empfahl er, alle Kontakte Raschids in den USA und Europa gründlich zu überprüfen. Carters Direktor hatte diese Empfehlung zurückgewiesen. Die Agency habe nicht genug Personal, um Jagd auf Schatten zu machen, sagte der Direktor. Raschid sei wieder im Jemen, wo er hingehöre. Gott sei Dank.
    »Nicht gerade eine Sternstunde der Agency«, sagte Sarah, als sie am späten Abend eine Pause machten. »Es war dämlich, diesen Kerl für unsere Zwecke nutzen zu wollen.«
    »Die Agency hat anfangs ganz richtig vermutet, Raschid al-Husseini sei böse, aber im Lauf der Zeit ist sie irgendwann in seinen Bann geraten. Das ist sogar leicht zu verstehen. Raschid hat sehr überzeugend gewirkt.«
    »Fast so überzeugend wie du.«
    »Aber ich schicke meine Rekruten nicht auf belebte Straßen, damit sie Massaker anrichten.«
    »Nein«, bestätigte Sarah, »du schickst sie stattdessen auf geheime Schlachtfelder, damit sie euren Feinden aufs Haupt schlagen.«
    »Ganz so biblisch ist’s nicht.«
    »Doch das ist es. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede.« Sie warf einen müden Blick auf den Aktenstapel vor ihnen. »Wir haben noch Unmengen von Material zu sichten – und das ist nur der Anfang. Die Schleusen werden sich erst öffnen.«
    »Keine Sorge«, sagte Gabriel lächelnd. »Wir bekommen bald Unterstützung.«
    Sie kamen am folgenden Nachmittag unter falschen Namen und mit gefälschten Pässen in den Taschen auf dem Dulles Airport an. Aber dieser Schwindel blieb ohne Folgen, sie wurden im Gegenteil von einem Team aus CIA-Agenten durch den Zoll gelotst und für die Fahrt nach Washington in mehrere Cadillacs Escalade verfrachtet. Auf Adrian Carters Anweisung fuhren die gepanzerten Geländewagen in Abständen von fünfzehn Minuten ab. So war das vielseitigste Agententeam der Geheimdienstwelt gegen Abend in dem Haus in der N Street versammelt, ohne dass die Nachbarn etwas mitbekamen.
    Chiara traf als Erste ein, fast gleichzeitig mit ihr kam Dina Sarid, eine Terrorismusexpertin des Diensts. Die zierliche, schwarzhaarige Dina kannte die Schrecken von Terroranschlägen aus eigener Erfahrung. Sie hatte am 19.   Oktober 1994 in Tel Aviv an der Dizengoff Street gestanden, als ein Selbstmordattentäter der Hamas den Bus Nummer fünf in einen Sarg für einundzwanzig Menschen verwandelt hatte. Ihre Mutter und zwei ihrer Schwestern hatten zu den Opfern gehört, Dina war schwer verletzt worden und hinkte noch immer leicht. Während ihrer Genesung hatte sie sich geschworen, die Terroristen nicht mit Gewalt, sondern mit ihrem Gehirn zu besiegen. Als menschliche Datenbank wusste sie Ort, Zeit, Täter und Zahl der Opfer jedes Terroranschlags auf israelische oder westliche Ziele auswendig. Gabriel hatte sie einmal erklärt, sie wisse mehr über die Terroristen als diese über sich selbst. Das glaubte er ihr.
    Als Nächster traf ein älterer Gentleman namens Eli Lavon ein. Der kleine, etwas nachlässig gekleidete Mann mit schütterem grauen Haar und klugen braunen Augen galt als der beste Überwachungskünstler, den der Dienst je hervorgebracht hatte. Dank seiner angeborenen Anonymität schien er zu den vom Leben stiefmütterlich Behandelten zu gehören. In Wirklichkeit war er ein Raubtier, das selbst einen gut ausgebildeten Agenten oder erfahrenen Terroristen auf jeder Straße der Welt beschatten konnte, ohne jemals aufzufallen. Lavons Verbindung zum Dienst war heutzutage ähnlich locker wie die Gabriels. Er hielt weiter Vorträge an der Akademie – kein junger Agent kam zum Einsatz, ohne mehrere Stunden zu Lavons Füßen gesessen zu haben –, aber sein eigentlicher Arbeitgeber war die Hebräische Universität in Jerusalem, wo er Archäologie lehrte. Aus einer Handvoll Tonscherben konnte Eli Lavon ein Bild von einem Dorf in der

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