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Der Hintermann

Der Hintermann

Titel: Der Hintermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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organisieren, anstacheln und kommunizieren können, aber gleichzeitig ermöglicht es Geheimdiensten, sie auf Schritt und Tritt zu überwachen. Der Cyberspace gleicht einem Winterwald. Terroristen können sich eine Zeit lang darin verstecken, heimlich Pläne schmieden und ihre Streitmacht organisieren, aber sie können nicht kommen oder gehen, ohne Fußspuren zu hinterlassen. Die Herausforderung für Geheimdienstoffiziere im Einsatz gegen Terroristen besteht darin, der richtigen Fährte zu folgen, denn dieser virtuelle Wald ist ein dunkler und verwirrender Ort, an dem man ziellos umherirren kann, während unschuldige Menschen sterben.
    Am folgenden Morgen wagten Gabriel und sein Team sich vorsichtig dort hinein, als der britische Geheimdienst aufgrund einer ständigen Vereinbarung seinen amerikanischen Vettern die vorläufigen Ermittlungsergebnisse zu dem Bombenanschlag im Covent Garden übermittelte. Zu dem Material gehörte alles, was auf Farid Khans Computer gespeichert war, ein Ausdruck mit allen Nummern, die er mit seinem Mobiltelefon angerufen hatte, und eine Liste bekannter islamischer Extremisten, mit denen er als Mitglied von Hisb ut-Tahir und al-Muhadjiroun Kontakt gehabt hatte. Außerdem eine Kopie des Überwachungsvideos, das den Anschlag zeigte, und einige hundert Standfotos von Überwachungskameras aus seinen letzten Lebensmonaten. Die letzte Aufnahme zeigte ihn im Covent Garden: mit erhobenen Armen und einem feurigen Ring von dem detonierenden Sprengstoffgürtel um die Taille. Wenige Meter von ihm entfernt lag Gabriel unter zwei Männern begraben auf dem Pflaster. Bei starker Vergrößerung war auf dem Bild der Schatten einer Pistole in seiner Hand zu erkennen.
    Carter hatte die Unterlagen an das Zentrum für Terrorismusbekämpfung in Langley und die NSA in Fort Meade, Maryland, weitergeleitet. Ohne dass die beiden Stellen davon wussten, brachte er eine dritte Kopie des Materials eigenhändig in das Haus in der N Street. Am folgenden Tag lieferte er bemerkenswert ähnliche Unterlagen aus Kopenhagen ab, aber eine ganze Woche sollte verstreichen, bevor er mit dem Material aus Paris erschien. »Den Franzosen ist noch nicht ganz klar, dass wir alle in einem Boot sitzen«, sagte Carter. »Sie sehen den Anschlag als Versagen ihrer Sicherheitskräfte, was bedeutet, dass wir nur eine geschönte Version der tatsächlichen Ereignisse hören werden.«
    Gabriels Team arbeitete das Material so rasch wie möglich, aber mit der Geduld und der Aufmerksamkeit für Details durch, die Ermittlungen dieser Art erforderten. Gabriel wies seine Leute instinktiv an, sich dem Fall zu nähern wie einem riesigen Gemälde mit großen Fehlstellen. »Bleibt nicht weit davon entfernt stehen, um zu versuchen, alles auf einmal zu sehen«, warnte er sie. »Das macht euch nur verrückt. Arbeitet euch vom Rand nach innen vor. Konzentriert euch auf Details – eine Hand, ein Auge, einen Kleidersaum, einen roten Faden, der durch alle drei Anschläge läuft. Ihr werdet ihn nicht gleich erkennen, aber er ist da, das verspreche ich euch.«
    Mit Hilfe der NSA und staatlicher Datengräber, die in anonymen Verwaltungsgebäuden am Capital Beltway arbeiteten, grub das Team sich immer tiefer in Datenbanken in aller Welt hinein. Telefonnummern führten zu weiteren Nummern, E-Mail-Adressen führten zu weiteren Accounts, Namen führten zu weiteren Namen. Sie lasen tausend Mails in einem Dutzend verschiedener Sprachen. Browser-Verläufe wurden auf Absichten durchsucht, Fotos auf Hinweise darauf, dass Ziele ausgespäht worden waren, und Google-Suchen auf geheime Wünsche und verbotene Leidenschaften.
    Allmählich begannen die vagen Umrisse eines Terrornetzwerks Gestalt anzunehmen. Die Hinweise waren vereinzelt und diffus: hier der Name eines potenziellen Terroristen in Lyon, dort die Adresse einer möglichen sicheren Wohnung in Malmö. Hier eine Telefonnummer in Karatschi, dort eine Webseite ungewissen Ursprungs von der Videos von Bombenanschlägen und Enthauptungen, die Pornografie der dschihadistischen Welt, heruntergeladen werden konnten. In dem Glauben, der CIA zu helfen, lieferten befreundete westliche Geheimdienste bereitwillig Material, das sie normalerweise zurückgehalten hätten. Das taten auch die Geheimpolizeien der islamischen Welt. Die Wohnzimmerwände waren schon bald mit einer verwirrenden Vielfalt von Informationen bedeckt. Eli Lavon setzte den Blick auf sie gleich mit dem auf den Nachthimmel – ohne die Zuhilfenahme einer Sternkarte.

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