Der Hintermann
Zwei Minuten später, nachdem er eine Datei von einer Website, die Discountreisen ins Heilige Land anpries, heruntergeladen hatte, gab er ihn wieder zurück.
»Bitte benutzen Sie ihn für alle SMS und Gespräche. Müssen Sie uns irgendetwas mitteilen, sagen Sie es einfach in der Nähe Ihres Handys. Wir hören Tag und Nacht mit.«
»Genau wie letztes Mal?«
Gabriel nickte. »Genau wie letztes Mal.«
Zoe steckte ihr Blackberry ein und stand auf. Gabriel sah ihr nach, als sie von Chiara und Lavon gefolgt langsam davonging. Er blieb noch einige Minuten sitzen und las die Nachrichten. Raschid und Malik schienen soeben einen weiteren Schritt in Richtung Amerika gemacht zu haben.
Asche zu Asche, Staub zu Staub.
22
M ADRID – P ARIS
In Madrid herrschte wieder die alte Selbstzufriedenheit, aber das war zu erwarten gewesen. Seit den tödlichen Anschlägen auf Nahverkehrszüge waren sieben Jahre vergangen, und die Erinnerung an jenen Morgen war inzwischen verblasst. Auf das Massaker an seinen Bürgern hatte Spanien damit reagiert, dass es seine Truppen aus dem Irak abgezogen und mit der islamischen Welt eine sogenannte »Allianz der Zivilisationen« geschlossen hatte. Auf diese Weise, sagten die politischen Kommentatoren, sei es gelungen, den Zorn der Muslime von Spanien weg auf Amerika zu lenken, wo er zu Recht hingehörte. Sich den Wünschen der al-Qaida zu unterwerfen, werde Spanien vor weiteren Anschlägen schützen. Das glaubten sie zumindest.
Die Madrider Autobombe detonierte um 21.12 Uhr auf der Kreuzung zweier belebter Straßen in der Nähe des Platzes Puerta del Sol. Sie war in einer gemieteten Garage in einem Industriegebiet im Süden der Stadt zusammengebaut und in einem Peugeot-Kastenwagen versteckt worden. Dank ihrer cleveren Konstruktion wurde die Druckwelle nach links in ein Restaurant abgelenkt, das bei der politischen Elite der Hauptstadt sehr beliebt war. Was sich dort drinnen genau abgespielt hatte, würde nie jemand erfahren, denn es gab keine Überlebenden. Hätte es einen gegeben, hätte er von einem kurzen, aber schrecklichen Augenblick berichtet, in dem Menschenkörper in einer Todeswolke aus Glas, Besteck, Porzellan und Blut durch die Luft flogen. Dann stürzte das ganze Gebäude ein und begrub die Toten und die Sterbenden unter zertrümmertem Mauerwerk.
Der angerichtete Schaden war weit größer, als die Terroristen zu hoffen gewagt hatten. Die Gebäudefassaden des gesamten Straßenblocks stürzten ein und legten den Blick frei auf Leben, die bis vor wenigen Sekunden noch friedlich verlaufen waren. In mehreren benachbarten Cafés und Geschäften gab es Personen- und Sachschäden, während die Bäume auf beiden Straßenseiten entlaubt oder gleich entwurzelt wurden. Von dem Peugeot-Kastenwagen blieb außer einem großen Krater im Asphalt nichts Identifizierbares übrig. In den ersten vierundzwanzig Stunden danach vermuteten die Ermittler, der Sprengsatz sei ferngezündet worden. Erst später entdeckten sie an mehreren Stellen die weithin verteilte DNA des Schahids . Er war gerade erst zwanzig gewesen, ein arbeitsloser marokkanischer Tischler aus dem Madrider Stadtteil Lavapiés. In seinem Bekennervideo sang er das Loblied von Jakub al-Mansur, dem wegen seiner blutigen Überfälle auf christliche Nachbarländer gefürchteten Almohaden-Kalifen aus dem zwölften Jahrhundert.
Angesichts dieses grausigen Vorfalls telefonierte Zoe Reed von der New Yorker Fernsehgesellschaft CNBC zuallererst mit der PR-Abteilung der AAB Holding, früher mit Sitz in Riad und Genf, jetzt am Boulevard Haussmann im neunten Pariser Arrondissement. Das war um 16.10 Uhr an einem wolkenverhangenen Tag in Paris. Wie bei AAB üblich bekam sie auf ihre Anfrage keine sofortige Antwort.
Dieses Unternehmen, das jedes Jahr auf der Forbes -Liste der erfolgreichsten und innovativsten Investmentfirmen der Welt stand, war 1979 von Abdul Aziz al-Bakari gegründet worden. Zizi, wie Freund und Feind ihn nannten, war der neunzehnte Sohn eines prominenten saudi-arabischen Geschäftsmanns, der Ibn Saud, dem Gründer und ersten absolutistischen Herrscher des Königreichs, als Bankier und Finanzberater gedient hatte. Das AAB-Imperium war ebenso weit gespannt wie lukrativ. AAB war ein Reederei- und Bergbaukonzern. AAB stellte Chemikalien und Medikamente her. AAB war Großaktionär amerikanischer und europäischer Banken. AAB besaß mehr Immobilien und Hotels als die meisten Immobilienfonds. Zizi bereiste die Welt in einer luxuriös
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