Der Hintermann
Mädchen. Mädchen stiehlt seine Geheimnisse und gibt sie an den israelischen Geheimdienst weiter.«
»Ich fürchte, das würde niemand glaubhaft finden.«
»Aber das ist das Schöne am amerikanischen Kabelfernsehen, mein Lieber. Die Story braucht nicht glaubhaft zu sein. Sie muss nur unterhalten.« Sie wischte sich einen Regentropfen von der Wange, dann fragte sie: »Was verschafft mir eigentlich diese Ehre? Doch hoffentlich keine weitere Sicherheitsüberprüfung?«
»Für Überprüfungen bin ich nicht zuständig.«
»Nein, vermutlich nicht.« Sie nahm einen Roman vom Tisch und zeigte Gabriel den Schutzumschlag. »Haben Sie den mal gelesen? Dieser Serienheld hat Ähnlichkeit mit Ihnen – launisch, egoistisch, aber mit einer sensiblen Ader, die Frauen unwiderstehlich finden.«
»So was trifft eher meinen Geschmack«, sagte er und zeigte auf eine fast neue Rembrandt-Monografie.
Zoe lachte. »Dann will ich sie Ihnen schenken.«
»Sie ist zu groß für meinen Rucksack. Außerdem habe ich sie schon.«
»Aber natürlich.« Sie legte den Roman zurück und sah gespielt gelassen die Fifth Avenue entlang. »Wie ich sehe, haben Sie zwei Ihrer kleinen Helfer mitgebracht. Wenn ich mich recht erinnere, haben Sie die beiden in dem sicheren Haus in Highgate Max und Sally genannt. Nicht besonders realistische Decknamen, wenn Sie mich fragen. Sie passen eher zu Welsh Corgis als zu zwei professionellen Spionen.«
»Es gibt kein sicheres Haus in Highgate, Zoe.«
»Ah, richtig, jetzt fällt’s mir wieder ein. War alles nur ein schlechter Traum.« Sie rang sich ein flüchtiges Lächeln ab. »In Wirklichkeit war nicht alles schlecht, stimmt’s, Gabriel? Tatsächlich hat die Sache bis kurz vor Schluss gut geklappt. Aber das haben Liebesgeschichten so an sich. Sie enden immer katastrophal, und irgendjemand bleibt verletzt zurück. Meistens das Mädchen.«
Sie griff nach der Rembrandt-Monografie und blätterte darin, bis sie zu dem Porträt einer jungen Frau kam. »Was denkt diese Frau, glauben Sie?«, fragte Zoe.
»Sie ist neugierig«, antwortete Gabriel.
»Auf welche Art und Weise?«
»Sie fragt sich, weshalb ein Mann aus ihrer jüngsten Vergangenheit ohne Vorwarnung wieder aufgekreuzt ist.«
»Weshalb also?«
»Weil er sie um einen Gefallen bitten will.«
»Der letzte Gefallen, den sie ihm erwiesen hat, hat sie fast das Leben gekostet.«
»Um solch einen Gefallen geht’s diesmal nicht.«
»Sondern?«
»Um eine Idee für ihre neue Talkshow zur Hauptsendezeit.«
Zoe legte die Monografie auf den Tisch zurück. »Sie hört Ihnen zu. Aber versuchen Sie nicht, die junge Frau zu täuschen. Denken Sie daran, Gabriel: Die Frau ist der einzige Mensch auf der Welt, der genau weiß, wenn Sie lügen.«
Der Regen hörte auf, als sie den Park betraten. Sie schlenderten an der Delacorte-Uhr vorbei und gingen zum Literary Walk weiter. Zoe hörte die meiste Zeit demonstrativ schweigend zu und unterbrach Gabriel nur, um Einwände vorzubringen oder sich Details erklären zu lassen. Ihre Fragen stellte sie mit der Intelligenz und dem Verständnis, die sie zu einer der angesehensten und gefürchtetsten investigativen Journalisten der Welt gemacht hatten. In ihrer beachtlichen Karriere hatte Zoe Reed nur einen einzigen Fehler gemacht: Sie hatte sich in einen glamourösen Schweizer Geschäftsmann verliebt, der der Islamischen Republik Iran heimlich mit Exportverbot belegte Ausrüstungsgegenstände für ihr Atomprogramm verkaufte. Aus Enttäuschung hatte Zoe sich bereit erklärt, mit Gabriel und seinen Verbündeten im britischen und amerikanischen Geheimdienst zusammenzuarbeiten. Als Ergebnis dieses Unternehmens lagen die iranischen Atomanlagen jetzt in Trümmern.
»Sie geben dem Netzwerk also eine Geldspritze«, sagte sie, »und mit etwas Glück gelangt das Geld durch den Blutkreislauf bis in den Kopf.«
»Besser hätte ich’s nicht ausdrücken können.«
»Was passiert dann?«
»Man schneidet den Kopf ab.«
»Was heißt das?«
»Das hängt ganz von den Umständen ab, denke ich.«
»Erzählen Sie mir keinen Scheiß, Gabriel.«
»Es könnte bedeuten, dass wichtige Männer des Netzwerks verhaftet werden, Zoe. Oder dass ihnen etwas Definitiveres zustößt.«
»Definitiver? Welch eleganter Euphemismus.«
Gabriel blieb vor der Shakespeare-Statue stehen, sagte aber nichts weiter.
»Ich will an keinem Mord beteiligt sein, Gabriel.«
»Möchten Sie lieber an einem weiteren Massaker wie im Covent Garden beteiligt sein?«
»Das ist
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