Der Hintermann
wippte. Schon spürte Zoe eine Hand an ihrem Ellbogen, die sie zu den Aufzügen bugsierte. Nun stand sie mit Nadia und ihrem Bodyguard in einer so schmalen Kabine, dass sie die Schultern etwas zur Seite drehen musste, damit die Tür sich schließen konnte. In dem beengten Raum wirkte der Jasmin- und Lavendelduft fast halluzinogen. Nadias Atem roch ganz leicht nach ihrer letzten Zigarette.
»Sind Sie oft in Paris, Zoe?«
»Nicht so oft, wie ich wünschte«, antwortete sie.
»Waren Sie schon mal im Crillon?«
»Nein, hier bin ich zum ersten Mal.«
»Sie müssen mir gestatten, Ihr Zimmer zu bezahlen.«
»Das kann ich leider nicht annehmen«, sagte Zoe freundlich lächelnd.
»Das ist das Mindeste, was ich tun kann.«
»Aber es wäre unethisch.«
»Wie das?«
»Es könnte so aussehen, als ließe ich mich dafür bezahlen, dass ich günstig über Sie berichte. Das verbietet mir mein Sender. So verhalten sich die meisten Medienunternehmen, zumindest die seriösen.«
»Ich hätte nie geahnt, dass es so etwas tatsächlich gibt.«
»Ein seriöses Medienunternehmen?« Zoe lächelte mit Verschwörermiene. »Doch, es gibt ein paar.«
»Und Ihres gehört dazu?«
»Meines gehört dazu«, sagte Zoe. »Tatsächlich wäre es mir sogar lieb, wenn Sie mich das Mittagessen bezahlen ließen.«
»Unsinn! Außerdem«, fügte Nadia hinzu, »würde die berühmte Zoe Reed sich doch nicht durch einen netten Lunch in einem Pariser Hotel beeinflussen lassen.«
Für den Rest der Fahrt herrschte Schweigen. Als die Aufzugtür sich endlich ratternd öffnete, warf al-Kamal einen Blick in den Vorraum, bevor er Zoe und Nadia rasch in die Louis-Quinze-Suite führte. Die klassischen französischen Möbel im Salon waren so umgestellt worden, dass der Eindruck eines eleganten Speisezimmers entstand. Vor den auf den Place de la Concorde hinausführenden hohen Fenstern stand ein für zwei Personen gedeckter Tisch. Nadia musterte den Raum zufrieden, bevor sie die einzelne Kerze ausblies, die zwischen dem Kristall, Porzellan und Silber brannte. Dann forderte sie Zoe mit einem Blick ihrer dunklen Augen auf, Platz zu nehmen.
Danach folgten einige fast komisch anmutende Augenblicke, in denen Servietten entfaltet, Blicke gewechselt, Anweisungen auf Französisch und Arabisch erteilt und Türen geschlossen wurden. Nadia bestand darauf, die Sicherheitsleute ebenso in den Vorraum zu verbannen wie Madame Dubois, der es sichtlich missfiel, ihre Chefin mit der berühmten Journalistin allein zu lassen. Der Sommelier goss einen Schluck Montrachet in Nadias Glas. Nadia kostete davon und nickte zufrieden, dann sah sie auf Zoes Blackberry hinunter, das wie ein ungeladener Gast auf dem Tisch lag. »Schalten Sie das Ding bitte aus?«, fragte sie bemüht lässig. »Bei elektronischen Geräten kann man heutzutage nicht vorsichtig genug sein. Man weiß nie, wer gerade zuhört.«
»Ja, ich verstehe«, sagte Zoe.
Nadia stellte ihr Glas auf den Tisch zurück und sagte: »Ich habe nichts anderes erwartet.«
Wäre in der Louis-Quinze-Suite nicht schon ein winziger Sender versteckt gewesen, hätten diese vier Worte, unschuldig und bedrohlich klingend zugleich, die letzten sein können, die der Mann, mittelgroß und von mittlerer Statur, der in einem Château nördlich von Paris auf und ab tigerte, mithören konnte. So aber brauchte er nur seinem Notebook einen kurzen Befehl erteilen, damit die Übertragung nach kurzer Unterbrechung weiterlief. Das Paar aus Montreal verließ seinen Platz und wurde auf dem Innenhof des Hotels durch zwei Frauen Mitte dreißig an Einzeltischen abgelöst. Eine war rotblond und hatte eine Rubensfigur, die andere war schwarzhaarig und hinkte leicht. Sie gab vor, ein Pariser Hochglanzmagazin zu lesen. Das half ihr, die unerbittlich in ihrem Kopf tickende Uhr weniger deutlich wahrzunehmen.
24
P ARIS
Manche Anwerbungen gleichen Verführungen, andere grenzen an Erpressung, und wieder andere ähneln einem Ballett von Invaliden. Aber selbst Ari Schamron, der die Welt des Geheimen weit länger kannte als die meisten, würde später sagen, so etwas wie die Anwerbung Nadia al-Bakaris habe er noch nie erlebt. Nachdem er die Eröffnungsszene über eine Standleitung zum King Saul Boulevard verfolgt hatte, erklärte er, dies sei eine der besten Anwerbungen, die er je mitgehört habe. Verstärkt wurde dieses Lob noch durch die Tatsache, dass es jemandem mit einem Beruf galt, für den Schamron sonst nichts als Verachtung übrig hatte.
Gabriel hatte Zoe
Weitere Kostenlose Bücher