Der Hintermann
ist.«
Wieder Schweigen, diesmal länger als beim ersten Mal.
»Tut mir leid, aber ich kann mich nicht an ihn erinnern.«
»Aber er sich sehr gut an Sie.«
»Beschreiben Sie ihn mir bitte.«
»Ziemlich groß und hager. Eine Bohnenstange. Aber ein interessanter Mann, wenn man ihn näher kennt. Vor ein paar Jahren hat er mit einem Geschäftsfreund Ihres Vaters zu tun gehabt, glaube ich.«
»Können Sie sich zufällig an den Namen dieses Geschäftsfreunds erinnern?«
»Wieso fragen Sie das Thomas nicht selbst?«
»Wie meinen Sie das, Zoe?«
Im ersten Stock des Châteaus Treville gab es einen eleganten Musiksalon mit Wandbespannungen aus roter Seide und feudalen farblich passenden Vorhängen an den Fenstern. An einem Ende des Raums stand ein Cembalo mit vergoldeten Verzierungen und einem pastoralen Ölgemälde im Deckel. Am anderen Ende stand ein Renaissancetisch mit Einlegearbeiten aus Walnussholz, an dem Gabriel Allon und Eli Lavon vor ihren Notebooks saßen. Einer der Bildschirme zeigte mit einem blinkenden roten Leuchtpunkt die Koordinaten von Zoes gegenwärtiger Position an. Auf dem anderen lief das Telefongespräch, das sie ab 10.22 Uhr mit Nadia al-Bakari geführt hatte. Gabriel und Lavon hatten es sich schon zehnmal angehört. Zehnmal hatten sie keinen Grund gefunden, die Aktion zu stoppen. Unterdessen war es 11.55 Uhr. Lavon runzelte die Stirn, als Gabriel das Icon ein weiteres Mal anklickte.
»Können Sie sich zufällig an den Namen dieses Geschäftsfreunds erinnern?«
»Wieso fragen Sie das Thomas nicht selbst?«
»Wie meinen Sie das, Zoe?«
»Damit meine ich, Sie sollten zu der Party kommen. Ich weiß, dass Thomas begeistert wäre, und wir hätten Gelegenheit, noch etwas länger miteinander zu reden.«
»Das wäre nicht passend, fürchte ich.«
»Um Himmels willen, warum nicht?«
»Weil Ihr Freund … Entschuldigung, Zoe, aber wie heißt er gleich wieder?«
»Thomas Fowler. Wie der Romanheld in Graham Greenes Der stille Amerikaner. «
»Wer?«
»Das ist nicht wichtig. Wichtig ist nur, dass Sie kommen.«
»Ich würde mich aber nicht aufdrängen wollen.«
»Das täten Sie keineswegs. Außerdem habe ich heute Geburtstag und bestehe darauf.«
»Wo genau wohnt Ihr Freund?«
»Nicht weit, nördlich von Paris. Mein Hotel besorgt mir einen Wagen mit Fahrer.«
»Bestellen Sie den Wagen wieder ab. Wir nehmen meinen. Dann können wir unterwegs miteinander reden.«
»Wundervoll. Thomas sagt, dass alle leger gekleidet kommen. Aber vielleicht wäre diesmal nur ein Bodyguard ausreichend, einverstanden? Thomas tätschelt Frauen zwar gern mal den Po, aber ansonsten ist er völlig harmlos.«
»Ich hole Sie um zwölf Uhr ab, Zoe.«
Damit war die Aufzeichnung zu Ende. Als Gabriel den Kopf hob, sah er Jossi am Türrahmen lehnen. Er sah durch und durch wie ein erfolgreicher Vermögensberater aus, der das Wochenende auf seinem französischen Landsitz verbringt. »Nur damit das klar ist«, sagte er mit seinem affektierten Oxford-Akzent, »das mit der Bohnenstange hat mir nicht gefallen.«
»Ich weiß, dass sie das liebevoll gemeint hat.«
»Wie würdest du dich fühlen, wenn dich jemand mit einer Bohnenstange vergleicht?«
»Geschmeichelt.«
Jossi strich die Aufschläge seines Kaschmirsakkos aus der Bond Street glatt. »Bin ich leger, wie auf Schlössern üblich angezogen?«
»Auf jeden Fall.«
»Mit Plastron oder ohne?«
»Ohne Plastron.«
»Plastron«, sagte Lavon. »Unbedingt mit Plastron.«
Jossi ging hinaus. Gabriel griff wieder nach der Computermaus, aber Lavon hielt seine Hand fest.
»Sie weiß, dass wir’s sind, aber sie kommt trotzdem. Außerdem«, fügte Lavon hinzu, »ist’s schon zu spät, um noch etwas zu veranlassen.«
Gabriel sah auf den anderen Bildschirm. Der Pegel des angezeigten Icons ging langsam zurück, was bedeutete, dass Zoe mit dem Aufzug in die Hotelhalle hinunterfuhr. Die Bestätigung dafür kam einige Sekunden später, als Gabriel hörte, wie die Aufzugtür sich öffnete, bevor Zoes Absätze durch die Halle klapperten. Sie wünschte Herrn Schmidt einen guten Tag, bedankte sich bei Isabelle für den kostenlosen Obstkorb, den sie am Vorabend in ihrem Zimmer vorgefunden hatte, und warf Monsieur Didier, der sich bemühte, für Chiara und Jaakov eine Reservierung im Jules Verne zu bekommen, die er später leider wieder würde stornieren müssen, eine Kusshand zu. Dann folgten schlagartig Verkehrslärm, als Zoe ins Freie trat, und der dumpfe Schlag, mit dem die
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