Der Hintermann
Tür einer Limousine sich schloss. Anschließend herrschte zunächst Grabesstille. Unterbrochen wurde sie von der liebenswürdigen Stimme einer Frau mit untadeligen dschihadistischen Wurzeln.
»Freut mich sehr, sie wiederzusehen, Zoe«, sagte Nadia al-Bakari. »Ich bringe Ihrem Freund als kleines Gastgeschenk eine Flasche Château Latour mit. Hoffentlich mag er Roten.«
»Das wäre aber nicht nötig gewesen.«
»Ach, Unsinn!«
Bei diesen Worten setzte das Icon sich wieder in Bewegung und wurde von drei weiteren verfolgt, die Gabriels Überwachungsteam darstellten. Kurze Zeit später waren sie alle mit fünfzig Stundenkilometern auf der Avenue des Champs-Élysées nach Westen unterwegs. Kurz bevor sie den Triumphbogen erreichten, bot Zoe an, ihr Blackberry auszuschalten. »Nicht nötig«, sagte Nadia ruhig. »Ich vertraue Ihnen jetzt, Zoe. Was auch immer passiert, Sie werden immer eine Freundin für mich sein.«
28
S ERAINCOURT , F RANKREICH
Die Banlieues im Nordosten von Paris schienen sich endlos weit zu erstrecken, aber mit der Zeit wurden die hässlichen Wohnblocks doch weniger, und die ersten Grünflächen tauchten auf. Selbst im Winter, unter der tiefen schweren Wolkendecke, wirkte die französische Landschaft aufgeräumt wie für ein Familienporträt. Sie donnerten in dem schwarzen Maybach übers Land, ohne von anderen Fahrzeugen verfolgt zu werden, zumindest von keinem, das Zoe aufgefallen wäre. Rafiq al-Kamal, der bullige Chef des Sicherheitsdiensts, hockte mit finsterer Miene auf dem Beifahrersitz. Er trug wie üblich einen dunklen Anzug, aber diesmal ohne Krawatte, aufgrund des informellen Anlasses. Zu einem cremeweißen Kaschmirpullover trug Nadia eine knapp sitzende beige Gabardinehose und Stiefel mit niedrigen Absätzen, die für Waldwege geeignet gewesen wären. Um ihre Nervosität zu verdecken, sprach sie unaufhörlich. Über die Franzosen. Über die grässliche Mode dieses Winters. Über einen Artikel, der die sich zuspitzende Eurokrise thematisierte und den sie an diesem Morgen im Financial Journal gelesen hatte. Im Wageninneren herrschte Tropenhitze. Zoe transpirierte unter ihrer Kleidung, aber Nadia schien zu frösteln. Ihre Hände waren eigenartig blutlos. Als sie sah, dass Zoe sie betrachtete, schob sie die Schuld daran auf das feuchte Pariser Wetter, von dem sie ohne Unterbrechung weitersprach, bis ein Straßenschild das Dorf Seraincourt ankündigte.
In diesem Augenblick wurden sie von einem Motorrad überholt. Es war eine dieser japanischen Rennkarossen, die den Fahrer dazu zwangen, weit nach vorn gebeugt auf seiner Maschine zu kauern. Er sah beim Überholen durch Zoes Fenster, als interessiere ihn, wer sich solch eine Luxuskarosse leisten konnte, dann zeigte er dem Fahrer den Stinkefinger und schoss mit aufheulendem Motor davon. Hallo, Michail, dachte Zoe. Nett, dich wiederzusehen.
Sie holte ihr Blackberry heraus und wählte. Die Stimme, die sich meldete, klang vage vertraut. Natürlich war sie das, sagte Zoe sich rasch. Sie gehörte ihrem alten Freund Thomas Fowler aus London. Thomas, der als Investor Millionen gescheffelt hatte. Thomas, der Nadia vor ein paar Jahren in einer Strandbar auf St. Barts kennengelernt hatte. Thomas, der Zoe jetzt den Weg zu seinem prächtigen neuen Château beschrieb – rechts auf die Rue de Vexin, dann links die Rue des Vallées entlang und rechts auf die Route des Hèdes abbiegen. Das Tor stehe auf der linken Straßenseite, sagte er, gleich am Ende des alten Weinbergs. Das Schild Warnung vor dem Hunde sollten sie ignorieren. Es sei nur ein Bluff aus Sicherheitsgründen. Thomas legte großen Wert auf Sicherheit. Thomas hatte allen Grund dazu.
Zoe beendete das Gespräch und steckte das Blackberry zurück in ihre Handtasche. Als sie aufsah, merkte sie, dass Rafiq al-Kamal sie wachsam in seinem Spiegel beobachtete. Nadia starrte freudlos aus dem Seitenfenster. Lächle, dachte Zoe. Wir gehen schließlich auf eine Party. Da ist’s wichtig, dass du zu lächeln versuchst.
Es gab keine Präzedenzfälle für das, was sie zu tun versuchten, keine festgelegten Regeln, keine Tradition innerhalb des Diensts, auf die sie hätten zurückgreifen können. Bei ihren endlosen Proben hatte Gabriel das Ganze oft mit einer Bildvorstellung verglichen, bei der Nadia die potenzielle Käuferin und Gabriel das auf einer Staffelei präsentierte Gemälde verkörperte. Vorab würde es eine kurze Fahrt geben – eine Fahrt, wie er seinen Leuten erklärte, die Nadia und das
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