Der Hintermann
Punkten umzuschichten. Sie sollten einige Veränderungen vornehmen, die besser zu Ihrem Geburtsrecht als einziges Kind des verstorbenen Zizi al-Bakari passen würden.«
»Mein Vater war ein Finanzier des Terrorismus.«
»Nein, Nadia, er war nicht nur irgendein Finanzier des Terrorismus. In dieser Beziehung war Ihr Vater konkurrenzlos. Ihr Vater war der Finanzier des Terrorismus.«
»Tut mir leid«, sagte Nadia, »aber ich verstehe nicht, was Sie von mir wollen.«
»Das ist ganz einfach. Wir möchten, dass Sie in die Fußstapfen Ihres Vaters treten. Wir möchten, dass Sie das Banner des Dschihad, das ihm in jener Nacht in Cannes entglitten ist, aufheben. Wir möchten, dass Sie seinen Tod rächen.«
»Sie wollen, dass ich eine Terroristin werde?«
»Genau.«
»Wie würde ich das anstellen?«
»Indem Sie sich eine eigene Terroristengruppe kaufen. Aber keine Sorge, Nadia, das brauchen Sie nicht allein zu bewerkstelligen. Thomas und ich helfen Ihnen dabei.«
30
S ERAINCOURT , F RANKREICH
Damit hatten sie eine gute Stelle für eine Rast erreicht – eine Oase, dachte Gabriel, der plötzlich von der Ikonografie der Wüste bezaubert war. Der Grund dafür, dass sie Nadia hierher gelockt hatten, war erfolgreich enthüllt worden. Nun war es an der Zeit, kurz zu rasten und den bisher zurückgelegten Weg Revue passieren zu lassen. Und es wurde Zeit, ein paar unangenehme Dinge anzusprechen. Gabriel hatte einige offene Fragen, die geklärt werden mussten, bevor er weitermachen konnte – Fragen, die mit den politischen Wirren und alten Fehden im Nahen Osten zusammenhingen. Die erste stellte er mit einem Streichholz in der Hand vor dem offenen Kamin kauernd.
»Was für ein Gefühl haben Sie in Bezug auf uns?«, fragte er, indem er das Streichholz anriss.
»In Bezug auf Israelis?«
»In Bezug auf Juden«, antwortete Gabriel und zündete das Anmachholz an. »Halten Sie uns für Kinder des Teufels? Glauben Sie, dass wir die Finanzen und Medien der Welt kontrollieren? Glauben Sie, dass wir den Holocaust selbst verschuldet haben? Glauben Sie, dass es den Holocaust gar nicht gegeben hat? Glauben Sie, dass wir das Blut nichtjüdischer Kinder dazu verwenden, unser ungesäuertes Brot zu backen? Halten Sie uns für Affen und Schweine, als die uns wahhabitische Imame und saudi-arabische Schulbücher gern beschreiben?«
»Ich bin nicht in Saudi-Arabien zur Schule gegangen«, sagte Nadia, ohne im Geringsten den Eindruck zu erwecken, sie wolle sich verteidigen.
»Nein«, sagte Gabriel, »Sie haben die teuersten Privatschulen Europas besucht – genau wie Ihre Freundin Sarah. Und Sarah kann sich gut an einen Vorfall auf St. Barts am Strand erinnern, bei dem Sie sich abfällig über einen Mann geäußert haben, den Sie für einen Juden gehalten haben. Sie erinnert sich auch an recht abschätzige Äußerungen über Juden, wenn Ihr Vater und sein Gefolge angefangen haben, über Politik zu diskutieren.«
Nadia starrte Sarah betrübt an, als werfe sie ihr einen Vertrauensbruch vor. »Die Ansichten meines Vaters über Juden waren allgemein bekannt«, sagte sie dann. »Leider war ich ihnen täglich ausgesetzt, sodass die Überzeugungen meines Vaters für kurze Zeit auch zu meinen wurden.« Sie machte eine Pause und sah Gabriel an. »Haben Sie jemals etwas gesagt, das Sie später am liebsten zurückgenommen hätten? Haben Sie jemals etwas getan, das Ihnen später schrecklich peinlich war?«
Gabriel blies sanft in die Flammen, gab aber keine Antwort.
»Ich besitze ein Milliardenvermögen, das ich geerbt und vermehrt habe«, sagte Nadia. »Daher wird es Sie vielleicht nicht überraschen, dass ich nicht glaube, dass die Juden das Weltfinanzsystem kontrollieren. Ebenso wenig glaube ich, dass sie die Medien kontrollieren. Ich glaube, dass der Holocaust stattgefunden hat, dass dabei sechs Millionen Menschen umgekommen sind und dass es ein Akt von Hass-Predigern ist, diese Tatsache zu leugnen. Ich glaube auch, dass die angeblichen Ritualmorde nichts als Verleumdung sind, und zucke innerlich zusammen, wenn ich höre, wie einer der sogenannten Geistlichen meines Heimatlandes Juden und Christen als Affen und Schweine beschimpft.« Sie machte eine Pause. »Habe ich irgendwas ausgelassen?«
»Den Teufel«, sagte Gabriel.
»Ich glaube nicht an den Teufel.«
»Und was ist mit Israel, Nadia? Glauben Sie, dass wir ein Recht darauf haben, in Frieden zu leben? Dass wir ein Recht darauf haben, unsere Kinder in die Schule zu bringen oder einzukaufen,
Weitere Kostenlose Bücher