Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hintermann

Der Hintermann

Titel: Der Hintermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
Vom Netzwerk:
das?«
    »Natürlich die der Engel.«
    »Derselben Engel, die meinen Vater eiskalt ermordet haben.«
    »Nicht wieder dieses Wort, Nadia. Ihr Vater ist nicht ermordet worden. Er ist auf einem selbst gewählten Schlachtfeld dem Feind zum Opfer gefallen. Er ist keinen Märtyrertod im Heiligen Krieg gestorben. Nur leider ist die gewalttätige Ideologie, die er zu verbreiten geholfen hat, nicht mit ihm untergegangen. Sie lebt in einem Halbmond aus heiligem Zorn weiter, der aus den pakistanischen Stammesgebieten bis nach London reicht. Und sie lebt in einem tödlichen neuen Terrornetzwerk weiter, das aus dem jemenitischen Bergland heraus operiert. Dieses Netzwerk hat einen charismatischen Führer, einen erfahrenen Terrorplaner und einen Kader aus opferbereiten Schahids . Was ihm jedoch fehlt, ist etwas, das Sie zur Verfügung stellen könnten.«
    »Geld«, sagte Nadia.
    »Geld«, wiederholte Gabriel. »Die Frage ist nun die: Sind Sie wirklich eine Frau, die den heutigen Nahen Osten im Alleingang umzumodeln versucht – oder sind Sie im Grunde Ihres Herzens die Tochter Ihres Vaters?«
    Nadia schwieg einen Augenblick. »Ich fürchte, das werden Sie ohne meine Hilfe entscheiden müssen«, sagte sie schließlich, »denn Ihre kleine Vernehmung ist mit diesem Augenblick offiziell beendet. Sollten Sie etwas von mir wollen, schlage ich vor, dass Sie’s jetzt sagen. Und lassen Sie sich nicht zu viel Zeit damit. Sie wissen vielleicht nicht recht, wo ich stehe, aber die Position des Chefs meines Sicherheitsdiensts dürfte außer Zweifel stehen. Rafiq al-Kamal ist ein echter wahhabitischer Gläubiger und dem Andenken meines Vaters treu ergeben. Und ich vermute, dass er allmählich ein bisschen misstrauisch wird und sich fragt, was hier drinnen vorgeht.«

31
    S ERAINCOURT , F RANKREICH
    Das Team verließ langsam den Raum – alle außer Eli Lavon, der auf der Fensterbank sitzen blieb, und Gabriel, der in dem Sessel Platz nahm, in dem Sarah gesessen hatte. Er betrachtete Nadia sekundenlang in respektvollem Schweigen. Dann begann er mit ernster Stimme, die er sich von Schamron entlieh, ihr eine Geschichte zu erzählen. Es war die Geschichte eines charismatischen islamischen Geistlichen namens Raschid al-Husseini, eines gut gemeinten CIA-Unternehmens, das schrecklich schiefgegangen war, und einer ehrgeizigen Terrororganisation, der das Betriebskapital fehlte, um ihre hohen Ziele zu erreichen. Seine Story war bemerkenswert detailliert, sodass die schwache Herbstsonne fast untergegangen war und das Gesellschaftszimmer im Halbdunkel lag, als Gabriel endete. Lavon, dessen schütteres Haar seinen Kopf fast wie ein Heiligenschein umgab, war nur noch als Silhouette sichtbar. Nadia saß unbeweglich in ihrer Ecke des langen Sofas, hatte die Füße hochgezogen und hielt die Arme unter der Brust verschränkt. Ihre dunklen Augen ließen Gabriels nicht los, während er sprach, als ob sie ihm für ein Porträt säße. Das Porträt einer Unverschleierten, dachte Gabriel, Öl auf Leinwand, Künstler unbekannt. Von nebenan drang Lachen herüber. Als es wieder verstummte, war Musik zu hören. Nadia schloss die Augen und lauschte.
    »Ist das Miles Davis?«, fragte sie.
    » Dear Old Stockholm «, sagte Gabriel nickend.
    »Miles Davis habe ich immer geliebt, obwohl mein Vater, ein frommer wahhabitischer Muslim, für kurze Zeit versucht hat, mir jegliche Musik zu verbieten.« Sie machte eine kurze Pause, in der sie weiterlauschte. »Und Stockholm liebe ich ebenfalls. Wir wollen hoffen, dass Raschid es nicht auf seine Zielliste gesetzt hat.«
    »Ein sehr kluger Mann hat mir einmal gesagt, dass Hoffnung keine Strategie ist, wenn Menschenleben auf dem Spiel stehen.«
    »Schon möglich«, sagte Nadia, »aber Hoffnung ist im Augenblick in Washington sehr en vogue .«
    Gabriel lächelte, dann sagte er: »Sie haben meine Frage noch immer nicht beantwortet, Nadia.«
    »Welche Frage meinen Sie?«
    »Was war schmerzhafter? Zu erfahren, dass Ihr Vater ein Terrorist gewesen war, oder dass er Sie irregeführt hatte?«
    Nadia starrte ihn mit beunruhigender Intensität an. Dann holte sie ein Päckchen Virginia Slims aus ihrer Handtasche, zündete sich eine an und hielt ihm die Packung hin. Gabriel lehnte mit einer knappen Handbewegung ab.
    »Ich fürchte, Ihre Frage beweist völlige Unkenntnis unserer Kultur«, sagte sie schließlich. »Mein Vater war stark verwestlicht, aber in erster Linie und vor allem ein saudischer Mann. Und weil er das war, hat mein Leben

Weitere Kostenlose Bücher