Der Hintermann
Dinge zu besprechen, versteht sich.« Carter legte die Protokolle zurück. »Die Frage ist nur«, sagte er und klappte das Dossier zu, »lassen wir sie hingehen?«
»Wieso nicht?«
»Weil das ein Bruch aller unserer Vereinbarungen mit der saudischen Regierung und ihrem Geheimdienst wäre. Der Hadith besagt, dass es in Arabien keine zwei Religionen geben soll. Und das Haus Saud hat unmissverständlich klargemacht, dass es keine zwei Geheimdienste dulden wird.«
»Wann seht ihr Amerikaner endlich ein, dass diese Leute nicht die Lösung, sondern das Problem sind?«
»An dem Tag, an dem wir kein saudisches Öl mehr brauchen, um unsere Autos und unsere Wirtschaft in Gang zu halten«, sagte Carter. »Seit dem 11. September haben wir Hunderte von saudischen Bürgern verhaftet und liquidiert, aber nicht in Saudi-Arabien selbst. Ungläubige wie wir haben in diesem Land nichts zu suchen. Entschließt Nadia al-Bakari sich dazu, Scheich bin Taijib aufzusuchen, muss sie ohne Unterstützung zurechtkommen.«
»Können wir den Berg zum Propheten bringen?«
»Wenn Sie damit meinen, ob Bin Taijib ins Ausland reisen könnte, um sich mit Nadia zu treffen, lautet die Antwort: Nein. Dafür steht er auf zu vielen Beobachtungslisten. Kein vernünftiger europäischer Staat würde ihn einreisen lassen. Sollte Bin Taijib anbeißen, bleibt uns nichts anderes übrig, als sie allein loszuschicken. Und sollten die Saudis rausbekommen, dass sie in unserem Auftrag unterwegs ist, werden Köpfe rollen.«
»Vielleicht hätten Sie das bedenken sollen, bevor Sie eine ganze Behörde für dieses Unternehmen gegründet haben«, sagte Gabriel und zeigte nach draußen ins Operationszentrum. »Aber das ist jetzt Ihr Problem, Adrian. Unsere operative Übereinkunft sieht vor, dass ich an dieser Stelle die Schlüssel übergebe und mich unauffällig in den Hintergrund zurückziehe.«
»Ich frage mich, ob Sie ein paar Änderungen zustimmen würden«, sagte Carter vorsichtig.
»Ich höre.«
»Bevor ich Direktor der größten Einheit zur Terrorismusbekämpfung geworden bin, habe ich selbst Spione angeworben und geführt. Und wenn es eines gibt, das Spione hassen, sind es Veränderungen. Sie haben Nadia al-Bakari entdeckt. Sie haben sie angeworben. Da wär’s nur vernünftig, wenn Sie sie weiter führen würden.«
»Sie wollen mich als ihren Führungsoffizier behalten?«
»Ganz recht.«
»Unter Ihrer Aufsicht, versteht sich.«
»Das Weiße Haus besteht darauf, dass die Agency die Kontrolle über das Unternehmen übernimmt. Mir sind die Hände gebunden, fürchte ich.«
»Es sieht Ihnen nicht ähnlich, sich hinter höheren Stellen zu verstecken, Adrian.«
Carter gab keine Antwort. Gabriel tat so, als würde er ernsthaft über seinen Vorschlag nachdenken, aber in Wirklichkeit stand sein Entschluss längst fest. Er nickte zu der schalldichten Glasscheibe hinüber und fragte: »Haben Sie dort draußen einen Platz für mich?«
Adrian Carter lächelte. »Ich habe schon einen Dienstausweis für Sie anfertigen lassen, damit Sie sich überall frei bewegen können«, sagte er. »Er ist natürlich grün.«
»Grün ist die Farbe unseres Feindes.«
»Der Islam ist nicht unser Feind, Gabriel.«
»Ah, richtig, das hätte ich fast vergessen.«
Carter stand auf und begleitete Gabriel zu einem kleinen Glaskasten in der hintersten Ecke des Operationszentrums. Die Einrichtung bestand aus einem Schreibtisch, einem Stuhl, einem Telefon für interne Gespräche, einem Safe für Dokumente, einem Plastikbeutel für Notizen, die zur Verbrennung gegeben werden sollten, und einem Kaffeebecher mit CIA-Emblem. Die junge Frau mit der hochgestylten Frisur brachte ihm einen Stapel Akten und ging dann wortlos an ihren Arbeitsplatz zurück. Als Gabriel den ersten Ordner aufschlug, hob er zufällig den Kopf und sah Carter, der auf Raschidistan von der Beobachtungsplattform blickte. Er schien sehr zufrieden mit sich zu sein. Dazu hatte er allen Grund. Dieses Unternehmen gehörte jetzt ihm. Gabriel war nur ein weiterer Subunternehmer: ein Mann in einer grauen Box mit einem grünen Ausweis um den Hals.
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R IAD , S AUDI -A RABIEN
Der Boeing Business Jet der AAB Holding flog um 17.18 Uhr in den Luftraum des Königreichs Saudi-Arabien ein. Wie üblich informierte der britische Pilot seine Passagiere und das Kabinenpersonal sofort darüber, damit etwa an Bord befindliche Frauen anfangen konnten, die hierzulande vorgeschriebene islamische Kleidung anzulegen.
Zehn der mitfliegenden
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