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Der Hintermann

Der Hintermann

Titel: Der Hintermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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ist’s geschafft.
    In Langley war es erst kurz nach 11.30   Uhr, doch in Raschidistan herrschte permanent Abendstimmung. Adrian Carter saß an seinem Platz im Operationszentrum, hatte den Telefonhörer in der linken Hand und hielt in der rechten ein einzelnes Blatt Papier. Das Telefon verband ihn mit James McKenna im Weißen Haus. Das Blatt Papier war ein Ausdruck der letzten Meldung des CIA-Stationschefs in Riad. NAB, das wenig kryptische Kürzel der Agency für Nadia al-Bakari, sei in der Heimat eingetroffen, so die Information, und werde anscheinend nicht beschattet – weder von Dschihadisten, dem saudischen Geheimdienst noch sonst wem. Das las Carter mit sichtlich erleichterter Miene, bevor er das Blatt über den Tisch hinweg Gabriel zuschob, dessen Gesicht ausdruckslos blieb. Sie wechselten dabei kein Wort. Das war nicht nötig. Sie teilten die gleiche Sorge. Sie hatten eine Agentin auf feindlichem Gebiet und würden keine ruhige Minute haben, bis sie wieder sicher in ihrem Flugzeug saß, das den saudischen Luftraum verließ.
    Gegen Mittag kehrte Carter in sein Büro im sechsten Stock zurück, während Gabriel in das Haus in der N Street fuhr, um etwas Schlaf nachzuholen. Er wachte um Mitternacht auf und war um ein Uhr wieder in Raschidistan – mit seinem grünen Dienstausweis um den Hals und Adrian Carter nervös neben sich. Die nächste Meldung aus Riad kam eine Viertelstunde später. NAB hatte ihren von Mauern umgebenen Palast in al-Schumajsi verlassen und war auf der Fahrt zu ihrem Firmensitz in der al-Olaja Street. Dort blieb sie bis dreizehn Uhr und ließ sich dann zu einem Lunch mit saudischen Investoren, zufällig lauter Männer, ins Hotel Four Seasons fahren. Vom Hotel aus bog ihr Wagen später nach rechts auf die King Fahd Street ab – merkwürdig, lag doch ihr Büro in Gegenrichtung. Zuletzt wurde sie auf der Fernstraße 65 nach Norden fahrend gesehen. Das CIA-Team versuchte nicht, ihr zu folgen. NAB war jetzt völlig auf sich allein gestellt.

42
    N EDSCHD , S AUDI -A RABIEN
    Der Wind legte sich gegen Mittag, und am Spätnachmittag lag die Landschaft des Nedschd friedlich da. Aber diese Stille auf dem kargen Hochplateau würde nicht lange anhalten, denn fern im Westen krochen schon wieder dunkle Sturmwolken wie Räuber aus dem Hedschas über die Pässe der Sarawat-Berge. Vor zwei Wochen hatte es erstmals geregnet, und der Wüstenboden war mit einem zögerlichen ersten Flaum aus Gras und Wildblumen bedeckt. Binnen weniger Wochen würde das Land so grün sein wie eine Viehweide in Berkshire. Dann würde der Hochofen wieder angeblasen werden, und vom Himmel würde kein einziger Tropfen Regen mehr fallen – nicht vor dem kommenden Winter, in dem sich, wenn Allah wollte, wieder Stürme von den Sarawat-Bergen herabwälzen würden.
    Für die Bewohner des Nedschd gehörte der Regen zu den wenigen willkommenen Dingen, die aus dem Westen kamen. Fast alles andere, auch ihre sogenannten Landsleute im Hedschas, betrachteten sie verächtlich. Es war ihr Glaube, der sie äußere Einflüsse zurückweisen ließ: ein Glaube, den ihnen vor über drei Jahrhunderten ein asketischer Reformprediger namens Muhammad ibn Abd al-Wahhab gebracht hatte. Im Jahr 1744 ging er im Nedschd ein Bündnis mit dem Stamm al-Saud ein und schuf so die Verbindung von politischer und religiöser Macht, aus der später der moderne Staat Saudi-Arabien entstehen sollte. Ihr Bündnis war nicht ganz unproblematisch, und die al-Saud hatten ab und zu das Bedürfnis, die bärtigen Eiferer aus dem Nedschd in die Schranken zu weisen – notfalls auch mit Hilfe von Ungläubigen. Im Jahr 1930 setzten sie britische Maschinengewehre ein, um die Gotteskrieger der Ichwan -Bruderschaft in der Stadt Sabillah zu massakrieren. Und nach dem 11.   September 2001 machten die al-Saud gemeinsame Sache mit den verhassten Amerikanern, um die als al-Qaida bekannte moderne Version der Ichwan zurückzuschlagen. Trotz solcher Belastungen hielt das Bündnis zwischen den Anhängern Wahhabs und dem Haus Saud, weil sie aufeinander angewiesen waren, um schlicht überleben zu können. In der unversöhnlich kargen Landschaft des Nedschd konnte keiner mehr als das verlangen.
    Trotz aller klimatischen Extreme war der neue Belag der Fernstraße 65 so glatt und schwarz wie die Rohölströme tief unter ihr im Sand. Sie verlief nach Nordwesten, folgte der alten Karawanenstraße zwischen Riad und der Oasenstadt Hail. Weit südlich von Hail, in der Nähe der Stadt Buraida, wies

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