Der Hobbit
Wald davon die Rede sein konnte, wieder der Schwärze der Nacht, als plötzlich rings um sie her viele Fackeln aufflammten wie Hunderte von roten Sternen. Waldelben mit Bogen und Speeren sprangen hinter den Bäumen vor und geboten den Zwergen Halt.
An einen Kampf war nicht zu denken. Selbst wenn die Zwerge nicht in einer solchen Verfassung gewesen wären, dass sie eher froh sein mussten, gefangen genommen zu werden, hätten ihnen die kurzen Messer, ihre einzigen Waffen, nichts gegen die Pfeile der Elben genützt, die einem Vogel bei Nacht ein Auge ausschießen konnten. Also hielten sie einfach an, setzten sich auf den Boden und warteten – alle bis auf Bilbo, der seinen Ring aufstreifte und sich sofort seitwärts in die Büsche schlug. Als die Elben die Gefangenen ineiner langen Reihe, einer hinter dem andern, aneinanderfesselten und sie zählten, war der Hobbit längst verschwunden und wurde nicht mitgezählt.
Er war auch nicht zu hören oder zu bemerken, als sie die Gefangenen durch den Wald abführten und er in einigem Abstand hinter ihren letzten Fackeln hertrabte. Allen Zwergen waren die Augen verbunden, aber das wäre kaum nötig gewesen, denn auch Bilbo konnte mit offenen Augen nicht sehen, wo sie hingingen; und wo sie zu Anfang gewesen waren, wusste sowieso keiner von ihnen. Bilbo hatte alle Mühe, mit den Fackeln Schritt zu halten, denn die Elben trieben die Zwerge an, so schnell zu laufen, wie sie es in ihrer Erschöpfung irgend konnten. Der König hatte Eile befohlen. Plötzlich hielten die Fackeln an, und der Hobbit holte sie eben noch ein. Sie standen vor einer Brücke, die vor dem Tor der Königshöhle über den Fluss führte. Das Wasser strömte dunkel und schnell darunter hin, und auf der andern Seite war das große Tor, das sich in der Flanke eines baumbestandenen Steilhangs öffnete. Hohe Buchen wuchsen dort bis herab ans Ufer und streckten ihre Wurzeln in die Strömung.
Über diese Brücke stießen die Elben ihre Gefangenen, doch Bilbo zögerte, ihnen zu folgen. Der Anblick des Höhleneingangs gefiel ihm gar nicht, und den Entschluss, seine Freunde nicht im Stich zu lassen, fasste er erst im letzten Moment, gerade noch rechtzeitig, um hinter den letzten Elben durch die großen Torflügel zu huschen, ehe sie mit einem lauten Knall hinter ihnen zufielen.
Die Gänge im Innern waren von roten Fackeln erhellt, und die Elbenkrieger sangen, als sie ihre Gefangenen durch die hallenden Gänge führten, die sich hin und her wanden und kreuzten. Diese Gänge waren nicht wie die Stollenin den Orkstädten; sie waren kleiner, nicht so tief unter der Erde und besser gelüftet. In einer großen Halle mit Säulen, die aus dem lebenden Stein gehauen waren, saß der Elbenkönig auf einem mit Schnitzereien verzierten hölzernen Sessel. Auf dem Kopf trug er eine Krone aus Beeren und rotem Laub, denn es war Herbst geworden. Im Frühjahr trug er eine Krone aus Waldblumen. In der rechten Hand hielt er einen geschnitzten Eichenholzstab.
Die Gefangenen wurden ihm vorgeführt. Er schaute sie zwar finster an, befahl aber seinen Männern, ihnen die Fesseln abzunehmen, denn er sah, wie abgerissen und erschöpft sie waren. »Außerdem brauchen wir hier keine Stricke«, sagte er. »Durch meine magischen Türen entkommt keiner, der einmal darinnen ist.«
Lange und eingehend befragte er die Zwerge, was sie hier wollten, wo sie hingingen und wo sie herkämen; aber er bekam nicht viel mehr aus ihnen heraus als aus Thorin. Sie waren mürrisch und beleidigt und gaben sich nicht einmal Mühe, höflich zu sein.
»Was haben wir getan, o König?«, sagte Balin, der nun ihr Ältester war. »Ist es denn ein Verbrechen, sich im Walde zu verirren, hungrig und durstig zu sein und den Spinnen in die Netze zu laufen? Sind die Spinnen vielleicht deine Schoßtiere, dass es dich so erzürnt, wenn wir einige getötet haben?«
Die Frage erzürnte den König natürlich nur noch mehr, und er antwortete: »Es ist ein Verbrechen, ohne meine Erlaubnis durch mein Gebiet zu ziehen. Habt ihr vergessen, dass ihr euch in meinem Königreich befandet und den Weg benutztet, den mein Volk angelegt hat? Habt ihr nicht dreimal im Wald mein Volk bedrängt und belästigt und mit eurem Krawall und Gebrüll die Spinnen aufgescheucht? Nachall euren Ruhestörungen habe ich ein Recht zu erfahren, was euch hierher führt, und wenn ihr es mir jetzt nicht sagen wollt, dann bleibt ihr so lange im Gefängnis, bis ihr Vernunft und Manieren annehmt!«
Dann gab er
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