Der Hobbnix - Die große Tolkien-Parodie 2: Hobbnix 2
böse .«
»Böse«, stimmte ich in dem leicht mädchenhaften Quietschton zu.
»Geh nach Hoppler-Ahoi! und stell sie zur Rede. Wer weiß, vielleicht …« Und das war das Schlimmste, die letzte Drehung des Messers in meinem Herzen: die Hoffnung . »… vielleicht können sie den Exorkisten dazu bringen, das, was er getan hat, rückgängig zu machen. Irgendwie. Ich weiß nicht, wie das funktionieren könnte, aber vielleicht kann er Heinrich zurückbringen.«
Wenn ich jetzt auf all diese Ereignisse zurückblicke, dann wird mir klar, was ich in diesem Moment durchlebte. Es waren die sieben Stufen der Trauer. Zuerst: Schock – das plötzliche Bewusstwerden eines Verlustes, das sich in meinem Versuch manifestierte, Schorsch Ratzinga auf dem Baumstumpf zu erwürgen. Dann: der Verlust selbst. Die Trauer bedrängt, überwältigt, lähmt dich. Dann: der mentale Zustand, der (auch alphabetisch) der Bedrängung folgt – Verdrängung. Die Weigerung (und jedem Hobbnix war dieser Wesenszug tief in die Psyche eingeschrieben), die Dinge so zu akzeptieren, wie sie waren.
»Womöglich«, sagte ich mit hoher Stimme, »war es keine so gute Idee, auf diesen Exorkisten loszugehen.«
»Wie meinst du das?«, erwiderte ich mit immer noch hoher Stimme, worauf ich schnell mit tiefer Stimme hinzufügte: »Äh, ’tschuldigung. Wie meinst du das?«
Hohe Stimme: »Wenn du willst, dass er das, was er getan hat, rückgängig macht, dann musst du ihn dir gewogen halten.«
Tiefe Stimme: »Aber vielleicht kann ich ihn ja dazu zwingen , zu tun, was ich will. Ihn so einschüchtern, dass er mir gehorcht.«
Hohe Stimme: »Du ihn einschüchtern? Du könntest nicht einmal eine Maus einschüchtern. Schau dich doch an. Selbst eine Kreatur, die bereits eingeschüchtert auf die Welt gekommen ist, wäre von dir nicht eingeschüchtert.«
Tiefe Stimme: »Kein Grund, persönlich zu werden.«
Hohe Stimme: »Oh, es gibt jede Menge Gründe, persönlich zu werden. Du warst jedenfalls nicht der Einschüchternde in eurer Beziehung.«
Mit diesen Worten endete der Zustand der »Verdrängung«, und ich begann wieder zu weinen.
Trotzdem: Meine Tanten zur Rede zu stellen, war, wenn nicht unbedingt eine gute Idee, doch zumindest eine Idee. Und weinend und trinkend in der Höhle herumzusitzen brachte mich auch nicht weiter. Also wusch ich mir das Gesicht, zog mir frische Kleider an, probte vor dem Spiegel einige Gesten, die im weitesten Sinne als »einschüchternd« gelten konnten, und verließ die Höhle.
Ein trister Nieselregen hatte sich wie ein dichter Vorhang über die Felder gelegt, aber – und ich traute meinen Augen kaum – der Pfad hinunter nach Hoppler-Ahoi! lag in hellem Sonnenschein und Vogelgezwitscher. Wie ein riesiger bunter mexikanischer Schnurrbart hing im Westen ein Regenbogen am Himmel. Regenbögen waren hierzulande keine Seltenheit, doch dieser hier schien mich geradezu zu verspotten. Wenn ein geliebter Lebender stirbt, trauen wir um ihn – Heinrich jedoch hatte gelebt und war gestorben, bevor ich ihn kennengelernt hatte. Was sollte ich nur tun?
Die Weizenfelder wogten im Wind, als würden unsichtbare Riesen in ihnen nach ihren verlorenen Kontaktlinsen suchen. Ich war zu sehr mit mir und meinem Unglück beschäftigt, um zu bemerken, dass gar kein Wind wehte.
Kurz darauf ging ich die Hauptstraße von Hoppler-Ahoi! hinunter. Je näher der Augenblick des Zusammentreffens mit meinen Tanten rückte, desto nervöser wurde ich – was sich auf ungute Weise mit meinem schlechten Allgemeinzustand vermischte (sagte ich schon, dass es mir wirklich elend ging?). Also machte ich einen kurzen Abstecher in das Fahle Kaninchen und stellte mich an den Tresen.
»Servus, Perversling«, begrüßte mich der Wirt. »Was darf’s sein?«
Meine emotionale Verfassung war so fragil, dass diese Anrede mir Tränen in die Augen trieb. Ich versuchte, nicht an all die glücklichen Jahre der Perversion mit meinem Geist zu denken, räusperte mich und bestellte ein Glas Alter Zausel.
»Kommt sofort«, sagte der Wirt.
Er stellte mir das Bier hin, und ich trank es in wenigen Zügen aus.
»Wissen Sie schon das Neueste?«, fragte der Wirt dann.
»Nein, was?«
»Die Polizei steht kurz davor, den Mordfall zu lösen. Wenn Sie mich fragen, ich halte das für keine gute Sache. Einige ungelöste Morde verleihen einem Ort doch erst Charakter. Das lockt die Touristen an. Aber Inspektor Barnabas war gerade hier und sagte, sie wären da jemandem auf der Spur.«
»Auf der
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