Der Hobbnix - Die große Tolkien-Parodie 2: Hobbnix 2
fühlte. Wenn man nach oben sah, konnte man in dem Gewirr der Äste noch hier und da das Blau des Himmels erkennen, aber dort, wo wir standen, schien es, als wären wir in einem blassgrünen Meer versunken. Die Ulmen und Buchen, die den Großteil des Waldes ausmachten, schüttelten sich in einem Wind, den ich allerdings nicht spürte, als würden sie um den besten Platz im Ring um den großen Baum kämpfen. Auf einem Ast saß ein Eichhörnchen und beobachtete mich – sein Schwanz wie der Stachel eines Skorpions gekrümmt.
»Unt«, murmelte Heinrich. »Unt. Unt! Unt!«
»Was ist mit dir?«, fragte ich. »Hast du Husten? Können Geister überhaupt husten? Das habe ich mich übrigens schon immer gefragt. Offenbar kannst auch du dir eine Infektionskrankheit zuziehen, nur dass du Ektoplasma statt Schleim absonderst und …«
»Sei still!«, rief Heinrich. Er klang eingeschnappt, ja mehr als das: Er klang, als würde er gleich zu schnappen. »Sei still und hör mir zu. Was ich dir jetzt sagen werde, ist sehr wichtig.«
»Okay«, erwiderte ich und fügte, um der Situation ein wenig den Ernst zu nehmen, grinsend hinzu: »Alles im grünen Bereich.«
Aber Ernst schien Heinrichs bester Freund geworden zu sein. Der Geist deutete mit einem schimmernden Arm auf den Baum. »Das ist einer der Wandelnden Bäume vom Volk der Unts. Sie sind langsame, uralte und sehr seltene Geschöpfe, die es in der Regel vermeiden, die Wege der Bipeden zu kreuzen …«
»Äh, eine Frage«, unterbrach ich. (Immer daran denken: Ich war noch ziemlich verwirrt – der Käfig und so weiter.) »Was ist ein Bipede?«
»Du«, erwiderte der Geist kurz und knapp.
»Hm?«
»Es beschreibt deine Art, dich fortzubewegen.«
»Müsste es dann nicht eher Perpede heißen?«
»Ruhe!«, zischte Heinrich. Der Wind rauschte wieder in den Blättern der uns umgebenden Bäume, und merkwürdigerweise konnte ich ihn wieder nicht auf meiner Haut spüren. »Du musst still sein. Hör nur – er erwacht.«
Und wirklich: Die unzähligen Äste, Zweige und Blätter des riesigen Baumes erzitterten, als er einen der großen Äste nach vorne schwang und zwei Augen am oberen Ende des Stammes öffnete – Augen, so groß und blau wie die Schilder, die häufig an Häusern angebracht sind, in denen früher berühmte Leute lebten. Als sich der Baum in Bewegung setzte, verfiel ich in eine Art Schockstarre, und es kostete mich einiges an Willenskraft, sie zu überwinden. Eines der Augen des Baumes starrte mich an. Dann streckte er einen Ast aus, und eine vierzehnfingrige Hand aus Zweigen langte nach oben und kratzte die Rinde an der Stelle, wo sich der Stamm zur Krone verzweigte. Dort, wo bei einem Bipeden der Scheitel war, dachte ich. Nach einer Weile öffnete sich ein Mund – eher ein Schnabel als ein Mund, aber gut – im unteren Abschnitt des Stammes, und der Baum stöhnte: »Ahhh. Bee-ss-eer.«
»Tut gut, sich zu kratzen, wenn es juckt, nicht?«, sagte ich mit einem leichten Quietschen in der Stimme.
Das Auge sah mich an.
»Das«, erklärte Heinrich andächtig, »ist der große Unt Fangmichdoch.«
»Ich grüße den großen Undfangmichdoch«, stotterte ich.
»Nur Fangmichdoch«, korrigierte Heinrich genervt. »Fangmichdoch ist sein Name. Unt ist die Gattung.«
»Verstehe«, sagte ich verstehend.
»Ha…«, brummte der mächtige Baum. Wir warteten. Nach einer ziemlich langen Weile fügte der Baum hinzu: »…llo.«
»Hallo«, erwiderte ich. Es schien mir unhöflich, nicht zu antworten.
»Ich …«, begann der Baum.
Ich sah ihn erwartungsvoll an. Wolken zogen an der Sonne vorbei. Irgendetwas erregte meine Aufmerksamkeit: eine Schnecke, die durch das hohe Gras der Lichtung kroch. Ich beobachtete sie, wie sie sich ihren Weg zwischen den Stängeln hindurch bahnte und schließlich im Schatten der Bäume verschwand.
»… habe …«, fuhr der Baum fort.
»Ich glaube«, sagte Heinrich leicht nervös, »Fangmichdoch will dir etwas mitteilen. Etwas von großer Wichtigkeit.«
»Okay«, nickte ich. »Ich bin ganz Ohr. Wichtig, sagst du?«
»Sehr wichtig«, bestätigte der Geist.
»Gebongt.« Ich beugte mich vor, um besser verstehen zu können, was Fangmichdoch mir sagen wollte. Aber das war nicht wirklich bequem, also stellte ich mich wieder gerade hin. »Bin ganz Ohr«, wiederholte ich. »Vom Ohr bis zu den Zehenspitzen!« Ich lachte. Dann hörte ich auf zu lachen.
Wir warteten. Vögel flogen über uns hinweg. Ich sah ihnen eine Weile lang zu. Dann beobachtete ich
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