Der Hochzeitsvertrag
darf und du dich selbst von seinem Wohlergehen überzeugen kannst. Er ist schon fast wieder gesund. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr er in den letzten Monaten gewachsen ist, Vater! Es sind mindestens dreißig Zentimeter, die er jetzt größer ist."
"Wunderbar, wunderbar", meinte der Geistliche und strahlte. "Es wäre schlecht, wenn er in seinem Alter nicht wachsen würde, nicht wahr? Ich habe gehört …"
"Entschuldigen Sie, Sir, aber wir sollten anfangen", warf Nicholas hastig ein. "Es beginnt zu nieseln, und wir möchten doch nicht, dass sich Emily an ihrem Hochzeitstag erkältet."
Emily warf ihrem ungeduldigen Bräutigam einen bösen Blick zu. Am liebsten hätte sie ihn darauf hingewiesen, dass ihr Gespräch familiärer Art war und sie nicht die Absicht hatte, es unnötig in die Länge zu ziehen. Doch die Männer, die sich um sie versammelt hatten, beobachteten sie derart interessiert, dass Emily es klüger fand, wenn sie nicht in aller Öffentlichkeit einen Streit mit Nicholas vom Zaum brechen würde. Besonders einen, den sie ohnehin nicht gewinnen konnte.
"Aber, aber", bemerkte ihr Vater beschwichtigend. "Deswegen müssen wir doch nicht hetzen. Meine Tochter ist so robust wie einer Ihrer Seeleute, Sir. Hat eine kräftige Konstitution, meine Tochter. Ist nie krank – nie!"
Emily wurde rot vor Scham. Dass ihr eigener Vater sie mit einem Seemann verglich, war schlimm genug. Aber dass Nicholas sich darüber amüsierte …
"Fangen wir besser an!" fauchte sie. Sie begab sich an Nicholas' linke Seite.
"Tu wenigstens so, als wärst du glücklich", flüsterte Nicholas ihr ins Ohr.
Sie sah zu ihm auf. Wollte er sich über sie lustig machen – in diesem Moment? Nein, er schien es ernst zu meinen.
"Bemüh dich um ein Lächeln. Und nimm doch bitte meine Hand! Es ist mir egal, was du mit ihr tust – zwick mich, wenn du dich dann besser fühlst –, aber sieh nicht so widerwillig drein. Ich habe vorhin eine halbe Stunde gebraucht, um deinen Vater davon zu überzeugen, dass wir gut zusammenpassen, und wer weiß, was passiert, wenn er daran zu zweifeln beginnt."
"Eine halbe Stunde? Länger, als du mich beschwatzt hast", gab Emily leise zurück, tat jedoch, worum er sie gebeten hatte. Mit gezwungenem Lächeln bat sie in vernehmlicher Lautstärke: "Wollen wir beginnen?"
Die liturgischen Texte, die ihr Vater nun auswendig rezitierte, und die rituellen Einwilligungen, die von Braut und Bräutigam erwidert werden mussten, hatte Emily aus dem Mund anderer Brautleute im Laufe ihres Lebens schon Dutzende von Malen gehört. Sie hatte frohe Hochzeiten erlebt und solche, bei denen die Brautleute ohne großen Enthusiasmus an den Altar schritten. Aber nie hatte sie eine Hochzeit wie diese erlebt – scheinheilig, würdelos.
Innerlich verzweifelte Emily fast an dem, was sie während der Zeremonie würde schwören müssen. Ja, sie würde Nicholas lieben. Aber nur weil sie keine Wahl hatte. Gott wusste, dass sie jahrelang versucht hatte, die Liebe zu ihm aus ihrem Herzen zu reißen.
Mit fester Stimme willigte sie auch darin ein, Nicholas treu zu sein. Fast hätte Emily laut gelacht: Die Vorstellung, dass sie, Emily Loveyne, mit einem anderen Mann anbändeln könnte, war reichlich absurd. Ein einziger Mann hatte ihr vor Jahren so viele Probleme, so großes Leid verursacht, dass nur der Himmel wusste, wie viel Kummer er ihr jetzt, wo er mit ihr verheiratet war, bereiten würde. Ja: Ein Mann war mehr als genug!
Erst als ihr Vater von Gehorsam sprach, kreuzte Emily die Finger ihrer linken Hand, die sie in den weiten Falten ihres Rocks verbarg, denn das konnte sie nun wirklich nicht guten Gewissens schwören. Auch das "Dienen" wollte ihr nicht recht von den Lippen gehen, als sie den Satz wiederholen sollte.
Ich lege mein Ehegelöbnis unter Zwang ab, sagte Emily sich und wusste, dass es trotz allem bindend war. Dennoch, keine Zeile im Gebetbuch ihres Vaters schrieb vor, wann sie die Ehe vollziehen musste.
Als ihr Vater sie schließlich laut fragte, ob sie den hier anwesenden Nicholas Hollander, Earl of Kendale, heiraten wolle, zögerte Emily einen Moment. Jetzt war der Moment gekommen, sich zu entscheiden. Noch konnte sie einen Rückzieher machen.
"Ich will", erklärte sie schließlich zaghaft. Ein "vielleicht" lag ihr auf der Zunge, aber das Wort kam glücklicherweise nicht über ihre Lippen. Zu viele Menschen hörten zu, und Emily scheute einen Affront.
4. Kapitel
Nicholas streifte auf ein Nicken des Geistlichen
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