Der Hochzeitsvertrag
hin einen Ring über Emilys Finger. Das Schmuckstück war eigentlich nicht als Ehering gedacht gewesen, ja, Nicholas war erstaunt gewesen, dass es in seiner Abwesenheit nicht von seinem Vater verkauft worden war. Nun, keine Ehe ohne Ringwechsel. Die filigranen Goldverzierungen, die die himmelblauen Saphire umrankten, sahen an Emilys schlanken Fingern wirklich sehr elegant aus. Sein Ring war zu einem unkonventionellen, aber durchaus nicht unpassenden Ehering geworden.
"Kraft meines Amtes erkläre ich euch hiermit zu Mann und Frau", sagte der Vikar fröhlich. Einer der Torhüter wischte sich einen Regentropfen von der Nase. Der Nieselregen war stärker geworden.
Nicholas schloss einen Moment die Augen. Emily ist meine Frau. Er hatte geglaubt, dies würde nie wahr werden. Ja, er war davon ausgegangen, dass sie schon verheiratet sein und Kinder haben würde, wenn er nach England zurückkehrte.
In den ersten Briefen, die er Emily aus Indien geschrieben hatte, hatte er ihr seine Gefühle bekannt, ihr ewige Liebe geschworen, jung und töricht, wie er damals war. Er öffnete die Augen und sah zu den Baumwipfeln empor.
Mittlerweile wusste er, dass Liebe eine Illusion war. Er hatte Emily keineswegs geliebt, obgleich er sich als ihr Beschützer gefühlt und sie mehr gemocht hatte als jedes andere Mädchen, jede andere Frau, die er seitdem kennen gelernt hatte. Und in den letzten Schulferien, die sie zusammen in Bournesea verbracht hatten, hatte er Emily auch körperlich begehrt.
Dass Emily seine Briefe nicht beantwortet hatte, ihn offenbar für immer aus ihrem Gedächtnis hatte streichen wollen, hatte ihn damals in Indien sehr verärgert. Welche Mühe hatte er sich gegeben, ihr seine erzwungene Abreise zu erklären, ohne die Drohungen seines Vaters allzu deutlich wiederzugeben. Wie oft hatte er ihr versichert, dass ihm nicht nur ihr Wohlergehen, sondern auch das ihrer ganzen Familie am Herzen lag. Und sie hatte es nicht einmal für nötig befunden, ihm auch nur ein Lebewohl zu senden!
Obwohl seine erste Wut schon lange verraucht war, spürte er auch heute noch ein gewisses Ressentiment Emily gegenüber, einen Ärger, der noch gewachsen war, als sie ihm Schuldgefühle gemacht und indirekt eine Ehe von ihm verlangt hatte.
In diesem Moment blickte Emily zu ihm hoch und wappnete sich offenbar innerlich gegen den Kuss, der ihre Verbindung besiegeln würde.
Mit einem Mal wurde Nicholas klar, dass er sie noch immer mehr begehrte als jede andere Frau. Er wünschte, er könne Emily mit aller Leidenschaft, die er verspürte, küssen und ihr deutlich machen, wie wach und stark auch ihr Verlangen nach ihm war, selbst wenn alle anderen Gefühle zwischen ihnen mittlerweile erkaltet zu sein schienen.
Ja, Emily vertraute ihm nicht mehr, aber ihre Reaktion auf jede seiner Berührungen war auffällig gewesen. Auch jetzt konnte er unter seinem Daumen ihren Puls wild schlagen fühlen. Ihre Atmung ging stockend, als er sich zu ihr hinunterneigte, ihre Wangen röteten sich. Und ihre Lippen bebten.
Nur Gott wusste, wie sehr er sich danach sehnte, diesen hübschen Mund zu erobern, doch das tat er nicht. Nicht jetzt. Nicht hier. Rasch drückte er ihr einen sanften Kuss auf die Stirn.
Bildete er sich nur ein, einen Seufzer der Enttäuschung gehört zu haben? Hatte er selbst geseufzt? Er trat einen Schritt zurück, immer noch Emilys Hände haltend.
"So weit, so gut", sagte Nicholas, während seine Männer zögernd Beifall klatschten und ihre Segenswünsche die Stille der kalten Morgenluft durchbrachen. "Wir sollten besser wieder nach drinnen gehen."
"Danke, Sir", rief er dem Vikar zu. "Wir werden Sie so bald wie möglich zu uns einladen."
Emily entzog ihrem Gatten eine Hand und winkte ihrem Vater zu, während dieser sich ehrerbietig verneigte, sich dann umdrehte, in seinen Buggy stieg und davonfuhr.
Kaum dass er ihrer Sicht entschwunden war, ertönte vom Park her Hufgetrappel.
"Warte dort drüben, wo man dich nicht sieht", befahl Nicholas Emily und nickte ihr dankbar zu, als sie ihm widerspruchslos gehorchte. Nur ungern wollte er erklären, warum er im Nieselregen in der Auffahrt zu Bournesea Manor überstürzt geheiratet hatte.
Der blonde Reiter hielt sein Pferd an, als er die geschlossenen Eingangstore sah. Das dampfende Tier tänzelte nervös.
Carrick Hollander, mein Cousin, erkannte Nicholas nach kurzem Nachdenken. Er hatte ihn schon früher nicht ausstehen können. Sieben Jahre seine Gesellschaft entbehrt zu haben war nicht
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