Der Hochzeitsvertrag
annähernd lange genug.
"Kendale! Willkommen daheim", sagte der Mann, tippte an seinen Zylinder und nickte, statt sich formell vor dem Ranghöheren zu verbeugen. "Willst du mich nicht einlassen?"
"Wenn du es genau wissen willst: Nein", antwortete Nicholas ohne Bedauern. "Mit meiner Wiederkehrfeier wirst du noch ein wenig warten müssen, Carrick."
Diese unverblümten, ja schon groben Worte schienen Carrick zu schockieren, er fasste sich aber schnell und lachte gezwungen. "Ist das wieder einer deiner dummen Scherze? Warum denn nicht gleich ein Wiedersehen feiern?"
"Ich bin dir keine Erklärung schuldig", erwiderte Nicholas. In entschiedenem Tonfall fügte er hinzu: "Und jetzt fort mit dir. Für den Rest des Monats möchte ich dich hier nicht mehr sehen."
Der Reiter kniff die Augen zusammen. "Da stimmt doch irgendetwas nicht! Was ist hier los?" Er machte eine Pause und musterte Nicholas. Der schwieg beharrlich. Verärgert meinte Carrick schließlich: "Ich werde schon herausbekommen, was du mir zu verheimlichen versuchst!"
Nicholas zuckte die Schultern.
Nach einem Moment gespannten Schweigens nickte Carrick. "Wie du willst." Er wendete sein Pferd und galoppierte in Richtung Bournesea davon.
Es stand einem Earl übel an, zu einem Familienangehörigen derart grob zu sein und absichtlich den eigenen Erben zu kränken, das war Nicholas klar. Er nahm sich fest vor, beim nächsten Mal höflicher zu Carrick zu sein. Außerdem – obwohl ich mich heute äußerst unfreundlich verhalten habe, war ich doch sehr viel geduldiger, als mein Vater es unter ähnlichen Umständen gewesen wäre, tröstete Nicholas sich und beschloss, die Angelegenheit fürs Erste aus seinen Gedanken zu verbannen.
Heute war sein Hochzeitstag, und er hatte andere, weit wichtigere Dinge zu bewerkstelligen. Am wichtigsten war es, Emilys Vertrauen wiederzugewinnen.
"Komm, meine Liebe, wir sollten jetzt hineingehen", rief er ihr zu und blickte zu den dunklen Wolken empor.
Er hörte, wie sie schniefte, konnte aber nicht sagen, ob sie weinte oder lediglich ihrer Empörung Luft machte.
Emily war heute in vielerlei Hinsicht anders als das fröhliche Mädchen, das er gekannt und zu lieben geglaubt hatte. Vermutlich hatte er sich sogar noch mehr geändert als sie. Die Zeit würde zeigen, ob sie sich einander zu sehr entfremdet hatten oder ob eine Annäherung möglich war. Eines wusste Nicholas aber: Sie würden es nie herausfinden, wenn sie so zusammenlebten, wie Emily das plante.
Solange die Quarantäne währte, machte die Enthaltsamkeit, die Emily ihm auferlegte, Sinn. Er hätte mit der körperlichen Vereinigung ohnehin abgewartet, bis die Choleragefahr zweifelsfrei vorüber war. Doch Emilys Motive waren anderer Natur als seine: Sie wollte während ihrer ganzen Ehe nie das Bett mit ihm teilen. Aber schon die vierzehn Tage Keuschheit, die er persönlich aus medizinischen Gründen für angebracht hielt, würden seine Selbstbeherrschung ernstlich auf die Probe stellen.
Er seufzte. Vielleicht würde es ihm ja doch irgendwann gelingen, Emilys Vertrauen wiederzugewinnen.
"Unser Hochzeitsfrühstück wird schon bereitstehen", sagte er in bemüht freundschaftlichem Tonfall. "Auch wenn du eigentlich keinen Hunger hast, sollten wir beide besser etwas essen. Meine Männer erwarten uns."
"Selbstverständlich", erwiderte sie steif. "Wir möchten doch niemanden enttäuschen. Aber was ist mit der Quarantäne? Ich dachte, die Männer hätten keinen Kontakt untereinander? Wie sollen wir da gemeinsam frühstücken?"
Nicholas geleitete sie die Eingangstreppe empor. "Du und ich, wir werden das Frühstück heute ausnahmsweise im Esszimmer zu uns nehmen. Die anderen bedienen sich wie üblich von einer Anrichte in der Küche und gehen dann in ihre Zimmer. Anlässlich unserer Hochzeit wurde der Speiseplan allerdings ein wenig erweitert."
"Ach ja? Was gibt es denn?"
Nicholas war amüsiert über ihr Bemühen, desinteressiert zu wirken. "Lauchsuppe. Mit Reis und Pilzen gefüllter Fasan. Spargel und natürlich das Übliche", zählte er auf.
"Wo kommen all diese Köstlichkeiten her?"
Er schmunzelte. "Die Speisekammer war voll, als wir hier ankamen. Es wird auch den üblichen Hochzeitskuchen mit Bohne geben." Er unterdrückte ein Lächeln und fuhr ernst fort: "Und Zitroneneis für jeden, der es will."
"Zitroneneis? Du … Daran erinnerst du dich?" Emily wirkte überrascht.
Gleichmütig zuckte er die Schultern. "Natürlich erinnere ich mich. Richtig krank warst du, weil du
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