Der Hochzeitsvertrag
großzügig", erwiderte sie. "Zu großzügig? Wie Freunden oder Gleichgestellten gegenüber?"
"Nein, nur wie geschätzten Mitarbeitern gegenüber. Es gibt einen Unterschied zwischen uns und ihnen. Und dieser Unterschied muss gewahrt bleiben, Emily, das ist alles, was ich gestern zu sagen versuchte. Bist du mir immer noch deswegen böse?"
Sie seufzte. "Nein. Es ist mir klar, dass ich noch viel lernen muss. Und wenn ich Fehler mache, darfst du mich gern darauf hinweisen."
"Ich würde die Fehler lieber verhindern. Übrigens, heute um elf wird eine Schneiderin hierher kommen, um dich neu einzukleiden."
"Aber die Garderobe deiner Mutter ist äußerst umfangreich, Nicholas. Ich brauche nur ein wenig Zeit, bis ich die Kleider abgeändert habe. Du wirfst dein Geld zum Fenster hinaus."
Er lächelte, offensichtlich amüsiert über ihre Neigung zu wirtschaftlichem Denken. "Die Gewänder meiner Mutter stehen dir, Emily, aber du brauchst neue. In Ordnung?"
"Wie du willst", sagte sie. Sie bedauerte, dass ihr ihre neuen Kleider dann kein Selbstvertrauen mehr geben würden, wie das bei denen der Countess der Fall gewesen war. Aber sie hatte ja immer noch den Ring. Emily berührte ihn flüchtig und lächelte.
"Wie geht die Inventur voran?" fragte er und wechselte das Thema. Nun, vielleicht wollte er sie lediglich eindringlicher auf ihre Unzulänglichkeiten hinweisen.
"Wir werden sehen", erwiderte sie ausweichend. "Du findest die Inventur überstürzt anberaumt?" vermutete sie.
Er zögerte einen Moment zu lang mit seiner Antwort, dann meinte er: "Aber nein, natürlich nicht. Die Haushaltsangelegenheiten sind deine Sache, doch wenn du irgendwelche Zweifel verspürst oder Fragen hast …"
"… frag mich um Erlaubnis", ergänzte sie.
"Bitte lass das."
"Was?"
"Mich zu unterbrechen und meine Sätze zu Ende zu führen."
Wieder wurde Emily klar, wie schwierig es werden würde, dauerhaft mit einem Mann wie Nicholas zusammenzuleben. Sie behielt diesen Gedanken allerdings für sich. "Willst du jetzt mit Rosie sprechen?"
"Ich sagte um neun Uhr", erinnerte er sie. Dann gab er nach. "Aber wir können das auch gleich erledigen. Ich habe heute noch so viel vor, da verschafft mir das ein wenig Spielraum."
Emily nickte und zog am nächsten Klingelzug.
Eines der jüngeren Mädchen kam herbeigeeilt. Sie knickste. "Ja, Mylady?"
"Bitte, Brigid, sag Rosie, sie soll sich unverzüglich im Arbeitszimmer meines Mannes einfinden. Seine Lordschaft möchte sie sprechen."
Nachdem Brigid davongehuscht war, sah Emily zu Nicholas auf und zog ironisch die Augenbrauen hoch. "Und? Zufrieden?"
"Ja. Und jetzt entschuldige mich bitte." Wie höflich er sein konnte. Höflich und distanziert.
"Natürlich", erwiderte sie und wünschte sich insgeheim, sie könnten wieder wie früher unbeschwert miteinander reden – ohne ihre Worte sorgfältig zu wählen, ohne nach versteckten Andeutungen suchen zu müssen.
Noch mehr wünschte sie sich, Nicholas lachen zu hören. So wie er früher gelacht hatte, wenn er sie geneckt hatte. Aber Nicholas war nicht mehr der fröhliche junge Mann, den sie gekannt hatte. Und dennoch schien ihr manchmal die Zeit stehen geblieben zu sein, manchmal, wenn sie in ihm den wieder erkannte, der er einst gewesen war.
Vielleicht dachte Nicholas ja auch hin und wieder mit Sehnsucht daran, was hätte sein können. Trotz seiner Lügen, trotz des Verlöbnisses mit Dierdre. Wäre er nicht so distanziert, könnte es auch wieder wie früher werden: Sie war gewillt, sich für ihn zu ändern. Aber er würde sich auch ihr anpassen müssen. Das ist nur gerecht, dachte sie.
Und in jedem Fall müsste er akzeptieren, dass sie nicht bereit war, ihn mit einer anderen Frau zu teilen. Unter keinen Umständen. Sie würde den Mut aufbringen, ihm das unmissverständlich klarzumachen. Es war das letzte Mal gewesen, dass er sich am Abend den Lastern hingab. Da sie sich ihm schon seit der Hochzeit verweigerte, konnte sie ihm seine Sünde nicht zum Vorwurf machen. Das wäre ungerecht. Es hieß, Enthaltsamkeit wäre jungen Männern unmöglich. Aber wenn er glaubte, er könne sich jetzt mit Rosie in seinem Arbeitszimmer vergnügen, irrte er sich.
Gemächlich ging sie ihm nach, um vor der Tür auf Rosie zu warten. Was auch immer Nicholas mit dem Mädchen vorhatte, Emily würde es entweder verhindern oder Zeugin seiner Taten werden. Ganz sicher würde sie keine unzüchtigen Handlungen unter ihrem Dach dulden.
Mit Rosie zusammen betrat sie wenig später das
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