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Der Höllenbote (German Edition)

Der Höllenbote (German Edition)

Titel: Der Höllenbote (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
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ein schweigsames Abendessen mit den Kindern, die anschließend vor den Fernseher verschwanden. Als das Telefon um kurz vor sieben klingelte, hätte Jane beinahe den Teller fallen gelassen, den sie gerade in die Spülmaschine räumte. Insgeheim hoffte sie, dass es Steve war ... aber warum? Ich weiß doch jetzt, was er für einer ist, dachte sie. Ich will nicht mit ihm reden, nie wieder. Außerdem wagt er sowieso nicht, hier anzurufen. Hatte er sie gesehen, als sie durch den Türspalt gespäht hatte? Hatte der Sergeant ihm gesagt, dass sie da gewesen war, nur um ein paar Sekunden später wieder aus dem Revier zu stürmen? Und wenn schon – es war ohnehin egal.
    Aber der Anruf gab ihr zu denken. Es war nicht Steve, es war der Leiter der Wartungsschicht des Postamtes. Noch mehr Seltsamkeiten: Er berichtete ihr, dass Dan Winston, einer der Leute aus der Sortierschicht, sich nicht ausgestempelt hatte und sein Wagen noch auf dem Parkplatz stand.
    Was hat das denn wieder zu bedeuten? »Wahrscheinlich hat er nur vergessen, die Karte in die Stechuhr zu stecken, und ist nach der Arbeit mit einem Bekannten nach Hause gefahren«, spekulierte sie. »Aber danke für den Anruf. Ich werde morgen mit ihm reden.«
    Das Telefon klingelte erneut.
    »Hi.«
    Es war Steve.
    Nicht schreien, nicht explodieren! Das bringt alles nichts. Ein sehr vernünftiger Ratschlag, aber dann platzte Jane der Kragen. Sie schrie. Sie explodierte.
    »Dass du es wagst, mich noch anzurufen! Für was für eine Idiotin hältst du mich eigentlich? Ich habe wirklich Besseres zu tun, als mich von dir verarschen zu lassen! Ruf mich nie wieder an!«
    Steve klang alarmiert. Offensichtlich hatte man ihm nicht gesagt, dass sie vorhin auf der Wache gewesen war. »Jane, wovon ...«
    »Komm mir bloß nicht mit dieser Scheiße! Ich war heute auf der Wache, um dich zu besuchen!«
    »Was? Warum bist du nicht reingekommen?«
    Janes Schläfen pulsierten. »Oh, ich war da. Deine Tür stand einen Spalt offen. Ich wollte gerade klopfen, aber dann habe ich reingeschaut. Und was glaubst du wohl, was ich gesehen habe?«
    »Was denn?«
    »Mein Gott! Du machst mich fertig. Ich habe gesehen, wie du mit diesem Weibsstück rumgemacht hast! Dieser Blonden!«
    »Welche ... Oh, du meinst Ginny? Sie ist meine ...«
    »Deine neue Freundin, das war nicht zu übersehen!«
    »Sie ist meine Schwester ...«
    »Oh, na klar, deine Schwester! Dann ist es in deiner Familie wohl üblich, der eigenen Schwester die Zunge in den Hals zu stecken, was?«
    »Jane, jetzt übertreibst du aber. Du ziehst die völlig falschen Schlüsse!«
    Jane konnte nicht mehr klar denken hinter ihrer Wand aus Wut. Sie war nicht blöd und sie würde sich nicht anlügen lassen. Ich werde mich doch von diesem Kerl nicht zum Narren halten lassen, beschloss sie, und dann sagte sie: »Ruf mich nie wieder an! Niemals! «
    Tränen standen in ihren Augen, als sie den Hörer auf die Gabel knallte. Sie schluchzte ein paarmal, dann trocknete sie ihre Augen mit einem Papierhandtuch und versuchte, sich zusammenzureißen. Gott, ich hoffe, die Kinder haben nichts mitbekommen, dachte sie beunruhigt, aber als sie einen Blick ins Wohnzimmer warf, sah sie die beiden gemütlich auf dem Sofa sitzen und gebannt eine Sendung auf dem Discovery Channel verfolgen. Sie verließ die Küche durch die andere Tür und schlich über den Flur in ihr Schlafzimmer. Emotionen stürmten auf sie ein, sie fühlte sich naiv und pubertär. Sie war todunglücklich.
    Was habe ich denn erwartet?, schalt sie sich. Ich habe den Kerl erst vor einer Woche kennengelernt und jetzt benehme ich mich, als sei gerade eine jahrzehntelange Beziehung in die Brüche gegangen. Werd erwachsen, Jane. Aber vernünftige Argumente halfen ihr nicht weiter. Es war nicht schwarz oder weiß – es war alles grau. Spielte es denn eine Rolle, dass sie ihn noch nicht lange kannte? Ich habe mich in ihn verliebt, gestand sie sich unter Tränen ein. Und jetzt ist es vorbei. So oder so – es tat furchtbar weh.
    Wie betäubt zog sie ihre Kleidung aus und schlurfte ins Bad. Sie hoffte, eine kalte Dusche würde sie entspannen, aber genau das Gegenteil war der Fall. Die ganze Anspannung dieses Tages lastete auf ihr und mit einem Mal fühlte sie sich niedergeschlagen, erschöpft. Sie drehte den Strahl noch weiter auf, bis das Wasser wie Nadeln stach, aber es ließ sie nur noch benommener werden. Ihre Augenlider waren schwer, als sie aus der Dusche trat und sich abtrocknete. War da ein Geräusch gewesen?

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