Der Höllenbote (German Edition)
ihren Händen. Die Gestalt drückte Marlenes Hände nach unten.
»Nein«, wiederholte sie. »Es ist eigentlich kein Päckchen. Es ist eine Botschaft.«
Aus ihrer Posttasche zog Marlene eine Ingram-MAC-11-Maschinenpistole. Kompakt, kaum zwei Kilo schwer und nur geringfügig größer als eine normale Pistole.
Und dann legte sie das 47-Schuss-Großraummagazin ein.
Bis jetzt hatte noch niemand geschrien. Alle starrten sie nur in paralysiertem Schweigen an.
Mit einem metallenen Knacken schob Marlene den Ladehebel zurück.
»Sehet den Boten«, sagte sie, und in dem Moment begannen alle Anwesenden loszubrüllen. Sie schoss mit kontrollierten Feuerstößen, drei 9-Millimeter-Geschosse landeten in Emmys Brust, drei weitere trafen den zweiten Schalterangestellten, der in Deckung gehen wollte, es aber nicht rechtzeitig schaffte. Die Kugeln sägten seine Schädeldecke ab und ließen sie wie eine behaarte Frisbeescheibe durch den Raum segeln.
Ja, hörte sie in ihrem Kopf. Ja. Ja.
Als die Postangestellten erledigt waren, grinste Marlene und drehte sich um. Sie ging taktisch klug vor: Sie stand in der Eingangstür, versperrte den verbliebenen Kunden ihre einzige Fluchtmöglichkeit. Diese schrien inzwischen voller Panik und wichen zurück. Ein paar von ihnen versuchten, über den Schalter zu springen, wurden dabei aber von Marlene erwischt.
Und dann eröffnete sie das Feuer auf die Menge in der Ecke.
Sie schwenkte die Waffe hin und her, als ob sie mit einem Schlauch den Rasen wässerte. Ihr einst hübsches Gesicht hatte sich zu einer grinsenden, hölzernen Maske verzerrt. Aus irgendeinem Grund hörte sie den ohrenbetäubenden Lärm der Waffe gar nicht, und als sie den Kugelhagel auf die Gruppe von Menschen losließ, verblassten deren Schreie zu einer dumpfen Stille.
Pulverdampf stieg auf wie Tränengas. Der Rauch ließ die Konturen des Trugbilds, das hinter ihr stand, deutlicher hervortreten. Einmal blickte sie nach unten und bemerkte knochige, gelbhäutige Hände mit manikürten schwarzen Nägeln, die sich um ihre eigenen Hände gelegt hatten und gemeinsam mit ihnen die Waffe hielten. Ein langer, dreigelenkiger gelber Finger drückte ihren eigenen Zeigefinger auf den Abzug.
Marlene entleerte das Magazin in die blutende Menschenmenge, dann legte sie ein weiteres 47-Schuss-Magazin ein und schoss auch das leer. Als sie damit fertig war, sah der Haufen massakrierter Postkunden aus, als seien sie in einen Häcksler geraten. Eine Blutlache so groß wie ein Planschbecken breitete sich auf dem Boden aus.
Bring meine Botschaft zu allen ...
Marlene rammte das nächste Magazin in die Waffe, dann spazierte sie in aller Seelenruhe um den Schalter herum in den Büro- und Lagerbereich.
Ein weiteres Stakkato von Schüssen erklang, schwerer Pulverdampf stieg auf. Leere Patronenhülsen spritzten in einem goldenen Bogen durch die Luft. Einige Minuten später stürmte die Polizei das Postamt.
(II)
Die blonde Nachrichtensprecherin erinnerte eher an eines der Mädchen aus den Beach-Shows auf dem E! Channel. Das elegante burgunderfarbene Kostüm wollte so gar nicht zu ihren Brustimplantaten passen, zum platinblonden Haar und der dunklen Sonnenbräune. Aber sie hielt das Mikrofon mit stoischer Entschlossenheit und sprach auch so, während die blauen und roten Lichter von Polizei und Rettungswagen, die chaotisch und ungeordnet vor dem Hauptpostamt parkten, im Hintergrund blitzten.
»... sich heute eine unvorstellbare Tragödie im Hauptpostamt von Danelleton in der Rosamilia Avenue. Die langjährige Mitarbeiterin Marlene Troy soll heute Morgen gegen neun Uhr das Postamt betreten, eine Automatikwaffe gezogen und das Feuer eröffnet haben ...«
Die Rettungssanitäter verließen einer nach dem anderen das Gebäude. Sie trugen Bahren, beladen mit schwarzen Leichensäcken. Pfade aus Blutstropfen und blutigen Fußabdrücken führten zum Parkplatz. Die nächste Einstellung zeigte das Innere der Schalterhalle nach dem Wegschaffen der Leichen: Weitere Fußabdrücke und die Spuren der Transportliegen führten aus einer Blutlache heraus fast bis zur Eingangstür. Literweise Blut musste hier vergossen worden sein. Etwas weiter oben konnte man an der Rückwand ebenfalls Flecken erkennen, aber es waren keine Blutflecken, sondern Serien von Einschusslöchern.
»Die Polizei ist bislang ratlos, was das Motiv für dieses entsetzliche Massaker betrifft«, fuhr die Sprecherin fort. Die nächste Einstellung zeigte erneut die Vorderseite des Postamtes, wo
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