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Der Hof (German Edition)

Der Hof (German Edition)

Titel: Der Hof (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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Jules und Lenny gesessen haben, wurde er bereits von einer anderen Gruppe eingenommen.

KAPITEL  16
    Das Ersetzen der Steine geht mir nur langsam von der Hand. Der Bereich des Hauses, bei dem ich angefangen habe, ist in einem schlechteren Zustand als der Rest, weil er auf der Seeseite liegt und jahrelang der Witterung ausgesetzt war. Ich muss viele Steine vollständig entfernen und den alten Mörtel abkratzen, ehe ich sie wieder in die Mauer fügen kann. Sie sind groß und schwer, und der feuchte Mörtel quillt wie kaffeefarbener Zuckerguss hervor, wenn ich sie zurück in die Lücken schiebe. Manchmal rutschen sie zu tief in die Öffnungen und sind nicht mit den angrenzenden Steinen auf einer Linie. Sobald das passiert, hole ich sie wieder raus und fange von vorne an. Ich bezweifle, ob man es von unten sehen würde oder ob es jemanden stören würde, wenn ich es so schief ließe.
    Mich würde es aber stören.
    Ich schaufle den Mörtel an den nächsten Stein und hieve ihn hoch auf Brusthöhe, ehe ich ihn weiter hochund hineinstemme, und dieses Mal, so bete ich, wird er richtig sitzen. Was er dann zum Glück tut. Ich kratze den überschüssigen Mörtel weg und lasse meine schmerzenden Schultern kreisen. Heute früh habe ich gute Fortschritte gemacht. Unter normalen Umständen würde mir das genügen, um zufrieden zu sein. Heute nicht.
    Mein Eimer ist leer. Ich trage ihn die Leiter hinunter und gehe in die feuchte Kammer, wo ich einem Berg leerer Plastiksäcke gegenüberstehe. Ich habe nur noch einen Sack Sand.
    Also muss ich bald wieder in die Stadt.
    Ich fluche und stelle den Eimer ab. Ich wusste seit Tagen, dass dieser Moment kommen würde. Das Erneuern der Steine hat viel Mörtel verbraucht. Ich habe zwar noch massig Zement, aber vom Sand habe ich fast alles aufgebraucht, was im Vorratsraum lagerte. Wenn ich gewusst hätte, dass er mir ausgeht, hätte ich noch welchen geholt, als ich den Zement besorgt habe. Aber damals war ich davon ausgegangen, mein Vorgänger hätte genug Sand gekauft. Mein Fehler.
    Louis hatte also neben einer Vielzahl von anderen Fehlern keine Ahnung vom Bauhandwerk.
    Ich finde Mathilde im Gemüsegarten hinter dem Haus. Sie kniet vor dem kleinen Blumenbeet und rupft Unkraut. Als ich auftauche, blickt sie auf, und wieder habe ich das Gefühl, sie in einem sehr privaten Moment zu stören.
    «Ich muss noch mehr Sand kaufen.»
    Sie fragt diesmal nicht nach. Ihr Gesichtsausdruck wirkt resigniert, als gäbe es niemanden mehr, der sie durch Taten oder Worte überraschen könnte. Sie nickt nur und steht schweigend auf. Ich begleite sie und warte in der Küche, während sie ihre Geldbörse holt. Gretchen sitzt mit Michel am Tisch. Sie würdigt mich keines Blicks. Seit der Keiler aus seinem Pferch entkommen ist, hat sie sich ganz in sich zurückgezogen. Es ist weniger so, dass sie mich ignoriert – sie scheint mich überhaupt nicht mehr zu bemerken.
    Wenn ich ehrlich sein soll, ist das eine Erleichterung.
    «Wird das reichen?», fragt Mathilde und händigt mir ein paar Geldscheine aus. Es ist nicht besonders viel.
    «Ich denke schon.»
    «Die Schlüssel sind im Wagen. Auch die für das Tor.»
    Sie kehrt in ihren Garten zurück, und ich gehe zum Renault. Im Innern der Fahrerkabine ist es heiß wie in einem Gewächshaus, aber ich warte nicht, bis es kühler wird. Nachdem ich die Prozedur mit dem Aufschließen und Verriegeln des Tors hinter mich gebracht habe, bleibe ich einen Moment stehen und schaue auf die Straße. Ein Auto schießt vorbei, das aus der Stadt kommt und seinem unbekannten Ziel entgegenrast. Während ich sehe, wie es am Horizont verschwindet, erwacht etwas in der hintersten Ecke meines Verstands. Erst ist es so undeutlich, dass ich es nicht erkenne.
    Rastlosigkeit.
    Meine Unruhe ist gewachsen, seit die Gendarmen auf den Hof kamen. Ich mache mir inzwischen keine Sorgen, sie könnten zurückkommen. Wenn sie das hätten tun wollen, wäre es längst passiert. Aber die Rastlosigkeit, die mit ihnen kam, hat mich seither kaum mehr verlassen.
    Ohne große Begeisterung steige ich wieder in den Pritschenwagen. Die Fahrt in die Stadt vergeht wie im Flug. Die Tankstelle huscht vorbei, und dann bin ich schon auf dem Marktplatz. Die Boulespieler sind wieder da, obwohl ich nicht weiß, ob es dieselben wie beim letzten Mal sind. Der Springbrunnen versprüht in der Sonne fröhlich sein Wasser. Schweißnass umklammern meine Hände das Lenkrad, als ich in den Hof des Baustoffhandels einbiege. Der Motor

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