Der Hof (German Edition)
erstirbt zittrig. Ich atme tief durch und steige aus.
Von Jean-Claude ist nichts zu sehen.
Ich erlaube mir, mich zu entspannen. Zumindest ein bisschen. Ich will meinen Gehstock aus dem Wagen holen, zögere aber. Mein Fuß ist inzwischen ordentlich verheilt. Die Fäden können bald gezogen werden, und ich trage jetzt eine Socke statt des Verbands. Den Gummischuh, den Mathilde für mich gebastelt hat, benutze ich nach wie vor, aber nur, weil mein eigener Schuh an den Wunden scheuert. Inzwischen ist der Stock mehr eine Angewohnheit und nicht so sehr eine Notwendigkeit. Ich weiß, schon bald kommt der Moment, in dem ich mich nicht mehr darauf stützen muss.
Aber nicht heute. Ich hole ihn aus dem Wagen, stütze mich darauf und humple in das hangarartige Gebäude.
Von den Männern im Innern erkenne ich niemanden. Ich bestelle und bezahle den Sand und bekomme erklärt, wo im Hof ich ihn finde. Es gibt große Holzverschläge, die mit Kies, Split und Sand gefüllt sind. Niemand ist in der Nähe, aber in einem der Sandhaufen steckt eine Schaufel, und daneben liegt ein Stapel leerer Plastiksäcke. Ich beginne, die Säcke zu füllen.
Ich arbeite mit dem Rücken zum Hof, schiebe mechanisch die Schaufel in den Sandhaufen und ignoriere immer wieder den Impuls, mich umzusehen. Als die Säcke voll sind, fahre ich den Pritschenwagen heran. Die Decke, auf der Lulu gelegen hat, liegt zusammengeknüllt auf der Ladefläche, und die Blutflecke sind schwarz eingetrocknet. Ich schiebe sie beiseite und beginne, die Säcke aufzuladen. Irgendwann lässt die nervöse Anspannung nach, und ich mache kurz Pause, um mir den Schweiß von der Stirn zu wischen.
«Brauchen Sie Hilfe?»
Jean-Claude steht neben dem Wagen. Er trägt dieselbe Latzhose wie bei unserer letzten Begegnung. Für einen Mann seiner Größe bewegt er sich erstaunlich leise.
«Danke, ich kriege das schon hin.» Ich wende mich ab und lade einen Sack auf. Er packt trotzdem mit an, wuchtet mühelos einen auf die Ladefläche und wendet sich gleich dem nächsten zu. Die letzten Säcke sind in wenigen Sekunden verstaut. Ich nicke ihm grimmig zu und schließe die Klappe. Natürlich lässt er nicht so leicht locker. «Jemand hat mir erzählt, Mathilde sei vor ein paar Tagen in der Stadt gewesen. Hat einen verletzten Hund zum Tierarzt gebracht. Was ist passiert?»
«Die Hündin ist einem Keiler zu nahe gekommen.»
«Ach so. Ich dachte, sie ist vielleicht auf einen Nagel getreten. Wie geht’s?»
Ich entscheide, dass er mit der Frage Lulu meint. «Nicht so gut.»
«Wäre wohl gnädiger, das Tier von seinen Qualen zu erlösen. Mathilde hatte ja schon immer ein weiches Herz, aber damit tut sie sich und anderen keinen Gefallen. Wird der Hund überleben?»
«Wenn sie überlebt, dann mit drei Beinen. Danke für die Hilfe.»
Ich steige in den Wagen. Jean-Claude hält die Fahrertür fest, damit ich sie nicht zuschlagen kann.
«Ich will mit Ihnen reden.»
Was auch immer er zu sagen hat, ich bezweifle, ob ich es hören will. «Ich muss zurück.»
«Es wird nicht lange dauern. Außerdem ist Mittagszeit. Es gibt in der Nähe ein Café, in dem das Essen ganz in Ordnung ist. Geht auf mich.»
«Nein danke.»
«Sie müssen doch essen, oder? Ich will einfach nur ein paar Minuten Ihrer Zeit. Aber wenn das zu viel verlangt ist …»
Er lässt die Tür los und deutet auf das Tor. Auch wenn ich nichts lieber tun würde als die Tür zuschlagen und losfahren, stehe ich in gewisser Weise in seiner Schuld. Wenn er nicht gewesen wäre, hätten Didier und seine Freunde Gott weiß was mit mir angestellt.
«Steigen Sie ein», sage ich.
In dem Café sind nicht besonders viele Gäste, aber wir sitzen in der hintersten Ecke, weit weg von den anderen. Ich starre auf die kleine eingeschweißte Speisekarte, ohne irgendwas zu sehen.
«Die Omeletts kann ich empfehlen», schlägt Jean-Claude vor.
Das mag ja stimmen, aber in letzter Zeit hatte ich mehr als genug Eier. Ich bestelle das Tagesgericht und ein Bier. Irgendwas brauche ich, um meine Nerven zu beruhigen.
«Also», sage ich.
Er legt die Speisekarte beiseite. «Ich habe gehört, Arnaud hat von der Polizei Besuch bekommen.»
«Das stimmt.»
Jean-Claude wartet einen Moment, und als ich nichts sage, fährt er fort: «Ich respektiere das Recht eines Mannes, seinen Besitz zu verteidigen. Aber Arnaud geht zu weit.»
Ich kann dem kaum widersprechen, doch Arnaud war nicht der Einzige, der sich falsch verhalten hat. «Wie geht’s Didier? Er hat
Weitere Kostenlose Bücher