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Der Hof (German Edition)

Der Hof (German Edition)

Titel: Der Hof (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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gekommen, als ich auf etwas Scharfes trete. Ein plötzliches Knacken lässt mich zusammenzucken, und ich spüre einen stechenden Schmerz. Mit hämmerndem Herzen springe ich zurück und wappne mich, weil ich fürchte, im nächsten Moment bohren sich die spitzen Zähne eines Fangeisens in den Fuß. Der Schmerz bleibt aus. Es ist nur ein toter Ast, aber ich hatte vergessen, dass in diesem Teil des Waldes immer noch unzählige von Arnauds Fallen lauern. Ich traue mich nicht weiterzugehen und genauso wenig zurück zum Weg. Nicht, wenn es so dunkel ist, dass ich nicht sehe, wo ich hintrete. Wahrscheinlich ist da nichts, doch was, wenn da doch etwas ist …
    Ich bemerke hinter den Bäumen eine Bewegung und schaue zurück zum Weingarten. Noch immer versteckt sich der Mond, und ich kann für den Augenblick gar nichts erkennen. Dann jedoch taucht er hinter der Wolke auf, und ich sehe zwischen den Baumstämmen die bullige Gestalt Arnauds durch den Wald eilen. Der Mond glitzert auf etwas Metallischem, und das letzte bisschen Hoffnung darauf, vernünftig mit ihm reden zu können, schwindet. Ich erkenne sofort, was er mit sich herumträgt.
    Es ist sein Gewehr.
    Wieder verschwindet der Mond hinter einer Wolke und verdeckt mir die Sicht wie ein Vorhang, der zugezogen wird. Aber Arnaud ist schon näher heran, als ich erwartet hätte. Jetzt ist es zu spät, um zum See zu laufen. Auf dem Waldweg wäre ich ein leichtes Ziel. Verzweifelt schaue ich mich nach einem geeigneten Versteck um. Ich bin in der Nähe der Stelle, wo wir die Silberbirke gefällt haben, und die meisten Bäume sind entweder Setzlinge oder nur noch Stümpfe. Arnaud braucht bloß den Kopf in meine Richtung drehen, um mich zu entdecken. Doch dann bricht ein Mondstrahl zwischen den Ästen hindurch und beleuchtet die Statuen, die in der Nähe stehen.
    Ich kann nur hoffen, dass das Areal rings um die Statuen frei von Fangeisen ist, und haste in die Richtung. Schon verblasst das Licht wieder. Ich werfe mich auf den feuchten Boden und krieche hinter die Steinrobe des Mönchs. Ich bin außer Atem, und mein nackter Fuß pocht heiß. Er fühlt sich klebrig an. Ich muss ihn mir an dem toten Ast aufgerissen haben, oder die Wunden sind vielleicht wieder aufgegangen. Aber im Moment ist das noch mein geringstes Problem. Ich spähe an der Statue vorbei. Ohne Mondlicht besteht der Wald nur aus verschiedenen Schattierungen von Schwarz. Nichts rührt sich, und dann entdecke ich einen Schatten, der den Weg entlanghastet.
    Ich ducke mich hinter dem kalten Stein. Über mir ist der Himmel ein Flickenmuster aus Wolken und Sternen, aber hier unten ist alles dunkel. Ich starre durch die Bäume nach oben und bete, der Mond möge weiterhin verdunkelt bleiben. Gerne würde ich einen zweiten Blick riskieren, aber ich fürchte, er könnte mich dann sehen. Also liege ich einfach da und lausche. Der Wind lässt die Blätter und Zweige rascheln und erstickt alle anderen Laute. Ich schließe die Augen und versuche mir vorzustellen, wo er jetzt sein müsste. Ich nehme mir fest vor, bis dreißig zu zählen, nachdem er jetzt vorbei ist. Aber danach rühre ich mich immer noch nicht vom Fleck. Was soll ich machen, wenn ich mich geirrt habe oder er stehen geblieben ist? Ich balle die Hände zu Fäusten und versuche, eine Entscheidung zu treffen. Ich kann hier nicht ewig bleiben. Meine beste Chance, über den Feldweg zur Straße zu gelangen, ist die kurze Spanne, in der Arnaud unten am See ist. Er muss längst an mir vorbei sein. Ich spanne mich an und nehme mir vor, wieder zu gucken.
    Dann höre ich das gedämpfte Knacken eines Zweigs.
    Ich liege vollkommen reglos da und halte die Luft an, weil ich nicht wage zu atmen, strenge mich an, etwas anderes als das Rauschen der Bäume zu hören, und versuche in Gedanken die Wolken zu beschwören, dass sie noch einen Moment länger den Mond verhüllen. Doch der heftige Wind treibt sie bereits weiter, und ihre schwarzen Silhouetten werden von einem silbrigen Glühen umrahmt. Hilflos sehe ich dabei zu, wie der Mond wieder auftaucht und die Welt mit seinem milchigen Licht flutet. Dann höre ich nur wenige Meter von mir entfernt Schritte und Zweige, die unter Schuhen zerbrechen.
    «Sean?»
    Mathildes Stimme klingt gedämpft. Die Anspannung fällt von mir ab.
    «Hier.»
    Sie hat zu den anderen Statuen geschaut und dreht sich um, als sie mein Flüstern hört. Mit wenigen Schritten ist sie bei mir und schaut derweil zwischen den Bäumen zum Waldweg. Der Judas von einem

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