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Der Hof (German Edition)

Der Hof (German Edition)

Titel: Der Hof (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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ständig herum und sagt mir, was ich tun darf und was nicht. Aber nachdem Sie wieder bei Bewusstsein waren, war es Papa gegenüber nur fair, wenn er Bescheid weiß. Der Hof gehört ihm und nicht ihr.»
    Dagegen kann ich kaum etwas einwenden. Ich habe schon genug Probleme und muss mich nicht auch noch in einen familiären Zwist hineinziehen zu lassen. Und plötzlich bemerke ich, dass Gretchen sehr viel näher neben mir sitzt als noch vor wenigen Minuten. So nah, dass ich die Hitze spüre, die von ihren nackten Armen abstrahlt.
    «Du gehst lieber zurück, bevor dich jemand vermisst.» Ich nehme ihr die Ohrhörer ab und lege sie beiseite und versuche gleichzeitig, etwas mehr Raum zwischen uns zu bringen. Sie wirkt überrascht, steht aber gehorsam auf.
    «Darf ich irgendwann noch mal Musik hören?»
    «Was ist mit deinem Vater?»
    Sie zuckt mit den Schultern. «Er erfährt’s ja nicht.»
    Das zu dem Thema, Papas Regeln gehorchen. Aber ich bekomme allmählich den Eindruck, Gretchen befolgt ohnehin nur die Regeln, die sie befolgen will. Als sie aufsteht und zur Falltür geht, wiegt sie ein wenig die Hüften. Ich schaue weg und tue so, als wäre ich mit den Ohrhörern beschäftigt. Nachdem sich ihre Schritte auf den Stufen entfernt haben, lege ich den MP 3 -Player mit einem Seufzen beiseite. Es tut mir wirklich leid um Gretchen, aber ich will sie auf keinen Fall ermutigen. Das Letzte, was ich jetzt brauchen kann, ist ein gelangweilter Teenager, der Unruhe stiftet. Besonders dann nicht, wenn dieser Teenager einen irren Vater hat. Ich will nur schleunigst von hier verschwinden.
    Und was dann?
    Der Dachboden wirkt heißer und stickiger als noch vorhin. Ich zünde mir eine Zigarette an, lehne mich gegen die Steinwand und blase den Rauch zur Decke. Während ich dem blauen Nebel zusehe, der sich langsam auflöst, denke ich über das nach, was Mathilde und Gretchen mir mitgeteilt haben. Bei all dem, was über den Bauernhof gesagt wird, gibt es eine Person, über die niemand ein Wort verliert.
    Der Vater von Mathildes Baby.

KAPITEL  4
    Am nächsten Morgen gehe ich zum ersten Mal nach draußen.
    Nach Gretchens Besuch habe ich den restlichen Tag verschlafen, und als ich irgendwann aufwachte, fand ich wieder ein Tablett mit Essen neben dem Bett vor. Ich schaffte es, lange genug wach zu bleiben, um die klare Hühnerbrühe und das Brot zu essen und mir vorzunehmen, später noch einmal mit der Krücke zu üben, dann schlief ich wieder ein.
    Aber als ich am Morgen aufwache, haben das Essen und die Ruhe ihr Werk getan. Ich fühle mich schon viel besser. Der Dachboden ist strahlend hell, aber noch nicht aufgeheizt. Die frische Luft ist angenehm kühl, und ich weiß, das wird nicht bis Mittag so bleiben. Das gestrige Abendessen-Tablett wurde durch eines mit Frühstück ersetzt – es gibt wieder gekochte Eier. Ich habe niemanden gehört, aber langsam gewöhne ich mich an den Gedanken, dass jemand heraufkommt, während ich schlafe.
    Ich esse wie ein Verhungernder, wische die letzten Reste vom Eigelb mit dem Brot auf und wünschte, es gäbe noch mehr. Der Wassereimer, den Gretchen gestern heraufgeschleppt hat, steht neben der Matratze. Ich wasche mir den getrockneten Schweiß so gut wie eben möglich ab und hole dann den Rasierer aus dem Rucksack. Wenn ich richtig gerechnet habe, ist knapp eine Woche vergangen, und entsprechend stoppelig bin ich inzwischen. Aber dann ändere ich in letzter Sekunde meine Meinung. Es gibt auf dem Dachboden keinen Spiegel, nicht mal einen kaputten. Aber die Stoppeln fühlen sich unter meinen Fingern merkwürdig an. Noch kein richtiger Bart, aber auch nicht mehr wie mein eigenes Gesicht. Ja, ich fühle mich nicht mehr wie ich selbst.
    Ich beschließe, das gar nicht mal so übel zu finden.
    Ein paar Minuten lang fühle ich mich herrlich sauber, aber dann beginne ich schon wieder zu schwitzen. Das kleine Fenster steht offen, doch damit kommt nur etwas Bewegung in die Luft, keine Abkühlung. Die Hitze nimmt schon wieder zu, und mit ihr auch meine Unruhe. Ich stehe auf und will mit der Krücke das Laufen üben. Dann sehe ich die Falltür offen stehen. Ich hüpfe hinüber und schaue nach unten in die Scheune.
    Niemand hat gesagt, ich solle hier oben bleiben.
    Dieses Mal ist es viel einfacher, die Stufen zu bewältigen. Ich klemme mir die Krücke unter einen Arm und steige sie langsam hinunter wie bei einer Leiter. Mein Fuß pocht hin und wieder zur Warnung, aber wenn ich mich bei jedem Schritt mit dem Knie auf der

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