Der Hof (German Edition)
paar Flaschen Sekt auf, die der Geschäftsführer spendiert haben soll.
«Geiziger Mistkerl», grummelt Yasmin. «Es hätte ihm nicht weh getan, wenn er eine Flasche Champagner springen lässt.»
Chloe ist sogar ohne Alkohol völlig aufgedreht. Sie sprudelt förmlich über vor Plänen und Aufregung.
«Gott, ich kann’s nicht glauben! Er hat Kontakte in Paris und New York, die alle zu der Eröffnung kommen wollen. Und der Kunstkritiker der
Daily Mail
wird auch da sein!»
«Ich wusste gar nicht, dass in der
Daily Mail
eine Rubrik für Kunstkritik existiert», murmelt Jez. Yasmin versetzt ihm mit dem Ellenbogen einen Rippenstoß und wirft ihm einen strengen Blick zu.
Chloe hat ihn entweder nicht gehört, oder es ist ihr egal. Sie kippt den Sekt wie Wasser runter. «Gott, endlich kann ich diesen Job kündigen. Ich kann Vollzeit malen und allen Werbeagenturen sagen, sie können sich ihre Illustrationen sonst wo hinschieben.»
Callum hat als seinen Beitrag zu der Party ein Gramm Kokain gekauft. An unserem Tisch in dem düsteren Alkoven hackt er die Lines mit der Kante seiner Kreditkarte auf der Rückseite einer Zeitschrift.
«Was zur Hölle tust du da?», zischt Yasmin.
«Ist schon okay, ist doch nur ein kleiner Kick. Und niemand sieht uns hier hinten. Sean, willst du auch eine?»
«Nein danke.» Ich habe mir nie was aus Kokain gemacht. Soweit ich weiß, trifft das auch auf Chloe zu, weshalb ich davon ausgehe, dass sie auch ablehnt. Zu meiner Überraschung tut sie das nicht. «Bist du sicher?», frage ich sie.
«Warum nicht?» Sie grinst. «Wir haben was zu feiern, oder?»
«Chloe …», sagt Yasmin warnend.
«Ist schon in Ordnung. Mach dir keine Sorgen», sagt sie und nimmt Callums Angebot einer zweiten Line an. «Ist doch nur dieses eine Mal.»
Yasmin beugt sich zu mir her, während ich mein Glas nachfülle. «Lass sie nicht mehr nehmen, hörst du?»
«Sie hat einfach ein bisschen Spaß», beruhige ich sie. Yasmin ist schwer in Ordnung, aber manchmal ist sie zu streng. «Warum sollte sie nicht koksen? Sie hat sich das hier verdient.»
«Und was ist, wenn es nicht funktioniert? Sie kann mit Enttäuschungen nicht besonders gut umgehen.»
«Ach, komm schon, Yasmin. Entspann dich!»
Sie funkelt mich an. «Bist du wirklich so dumm?»
Ich blicke ihr ratlos und verletzt nach, als sie den Stuhl zurückschiebt und einfach geht. Da ist wohl jemand eifersüchtig, denke ich.
Brighton ist Chloes Idee. Sie ist in der Woche vor der Galerieeröffnung so nervös, dass sie die Fingernägel bis aufs Nagelbett abgekaut hat. Sie arbeitet den ganzen Tag an ihren Bildern, so lange, bis sie aus der Tür rennen muss, um zu ihrer Schicht im Domino nicht zu spät zu kommen.
«Lass uns wegfahren», sagt sie an dem Abend, als ihre Bilder in die Galerie geliefert wurden.
«Passt mir gut. Nach der Eröffnung können wir …»
«Nein, jetzt. Diese ganze Warterei macht mich noch wahnsinnig. Ich muss
jetzt
wegfahren.»
Der Ferienort ist strahlend weiß, die Sonne scheint, was nach der mürrischen Düsternis Londons eine Wohltat ist. Wir sind per Anhalter gefahren und haben lieber nicht Chloes Auto vertraut, das inzwischen nur noch für kurze Strecken taugt. Ein neues werden wir kaufen, wenn es mit ihren Bildern so gut läuft wie erhofft. Sie steckt voller Pläne und Ideen und ist überzeugt, den Wendepunkt ihrer Karriere erreicht zu haben. In den Momenten, wenn sie es schon fast übertreibt, fühle ich mich an Yasmins Warnung erinnert. Aber Chloes neugewonnener Optimismus ist so ansteckend, dass er jeden Zweifel einfach beiseitewischt.
Wir machen in einem Pub am Meer halt und zahlen absurd viel Geld für Bier. Das Versprechen von Chloes Erfolg und der Urlaub machen uns übermütig. Danach bummeln wir durch Secondhandläden und die Läden der Wohltätigkeitsverbände und suchen dort nach alten Bilderrahmen, die sie für ihre eigenen Werke wiederverwenden kann. Wir finden keine, aber wir kaufen eine alte Sofortbildkamera, zu der es ein halbes Dutzend Polaroids gratis gibt, bei denen man die Folien noch abziehen muss. Wir verknipsen alle Bilder direkt am Meer und zählen laut runter, während wir warten, dass wir die Bilder aufmachen dürfen. Aber jedes Mal sind nur die nackten Quadrate der Emulsion zu sehen. Bloß ein einziges Bild gelingt, Chloe hat sich in Pose geworfen, steht wie ein Model vor dem Pier und strahlt. Sie hasst das Foto, aber ich halte es hoch über ihrem Kopf außer Reichweite, während sie lachend versucht, es
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