Der Hof (German Edition)
Probleme machen.»
Was nicht heißen muss, dass er einverstanden ist. Aber Mathilde kennt ihn besser als ich. Sie wartet auf meine Antwort, und sosehr ich mir auch den Kopf zerbreche, mir fällt kein guter Grund ein abzulehnen.
«Ich vermute, ich könnte das schon machen …»
Mathildes Lächeln ist sehr viel ernster und nüchterner als das ihrer Schwester, aber während sie lächelt, sieht sie um Jahre jünger aus. «Ich danke dir.»
Ich sehe ihr nach, als sie zurück zum Innenhof geht. Dann untersuche ich den Schuh. Er stinkt nach altem Gummi, und vermutlich hat es nur wenige Minuten gedauert, ihn zu basteln. Trotzdem rührt mich diese Geste. Ich kann mich nicht erinnern, wann jemand das letzte Mal etwas für mich getan hat. Und der Schuh wird mir das Leben erleichtern. Als ich ihn nach dem Frühstück anziehe, stelle ich fest, dass ich meinen Fuß sogar aufstützen und ein paar hüpfende Schritte machen kann.
Auf dem Gerüst verleiht mir der Schuh ein Gefühl von Stabilität und Selbstvertrauen, das mir bisher gefehlt hat. Ich nehme den Hammer zur Hand und gebe mir große Mühe, die Kopfschmerzen zu ignorieren. Mit jedem Hammerschlag spüre ich ein Pochen in den Schläfen, aber ich hoffe, mit der Anstrengung den Kater früher oder später auszuschwitzen. Die Blasen an meinen Handflächen sind offen, aber ich bringe es einfach nicht über mich, die vor Schweiß steifen Arbeitshandschuhe anzuziehen, die in den Taschen des Overalls steckten.
Langsam beginnt die Starre aus meinen Muskeln zu verschwinden. Ich mache den Bereich fertig, an dem ich bisher gearbeitet habe, und beginne dann mit der Wand neben dem Schlafzimmerfenster, bei dem die Läden offen stehen. Einige Steine unter der Regenrinne haben sich gelockert, und es gibt wohl keine andere Möglichkeit, als sie ganz herauszunehmen. Ehe ich es mich versehe, ist in der Wand ein Loch, groß genug, um hineinzukriechen. Dahinter sehe ich das nackte Mauerwerk der Innenwand. Ich bin eingeschüchtert von dem Schaden, den ich angerichtet habe, und wieder mal wird mir auf unangenehme Weise bewusst, dass ich eigentlich keine Ahnung habe, was ich hier mache.
Aber es ist immer noch sehr befriedigend, gezielt mit Hammer und Meißel an der Mauer herumzuklopfen. Ich hämmere weiter, und die Mörtelbrocken fliegen mir wie Schrapnellgeschosse ins Gesicht. Es tut inzwischen gar nicht mehr so weh, wenn ich versehentlich auf meine Hand schlage. Die Haut und die Knochen sind abgestumpft von den wiederholten Treffern. Erst wenn ich lange genug Pause mache, um wieder zu Atem zu kommen, spüre ich den Schmerz.
Schon bald habe ich mich ganz im Rhythmus des Hämmerns verloren. Meine Welt schrumpft auf jenen schmalen Streifen über den Schlafzimmerfenstern zusammen, weshalb ich nur schleppend reagiere, als ich in dem Zimmer etwas bemerke. Dann passiert es erneut – ein Blitzen am Rand meines Gesichtsfelds. Ich schaue auf und sehe ein Gesicht auf der anderen Seite der staubigen Fensterscheibe.
«Himmel!»
Der Meißel fällt klappernd über den Rand des Gerüsts und knallt an die Wand, ehe er unten auf dem Pflaster landet. Gretchen öffnet das Fenster und lacht.
«Habe ich Ihnen Angst eingejagt?»
«Nein», behaupte ich, aber mein Herz hämmert. «Na ja, ein bisschen vielleicht.»
«Ich habe Ihnen Kaffee gebracht.» Sie reicht mir einen großen Becher. Sie klingt sehr zufrieden mit sich. «Ich dachte, dann müssen Sie nicht wieder ganz nach unten klettern.»
«Danke.»
Ich muss ohnehin wegen dem Meißel nach unten, aber das behalte ich lieber für mich. Ich habe Gretchen nicht mehr gesehen, seit sie gestern Abend mein Foto angezündet hat, aber das scheint sie schon vergessen zu haben. Sie lehnt sich durch das offene Fenster, während ich auf der Fensterbank sitze.
«Mathilde hat gesagt, Sie geben mir Englischunterricht.» Eine gewisse Hinterhältigkeit schwingt in der Art mit, wie sie es sagt.
«Wenn du das gerne möchtest.»
«Es war ihre Idee», sagt sie, und sofort verfinstert sich ihre Miene. Dann hellt sie sich wieder auf. «Sie können mich nachmittags unterrichten. Papa schläft, und Mathilde kümmert sich um Michel. Dann werden wir nicht gestört.»
Sie strahlt mich an und wartet auf meine Reaktion. Ich nippe an meinem Kaffee und gebe mich betont lässig, obwohl ich mich nicht so fühle. Der Kaffee ist stark und schwarz, und ich verbrenne mir fast die Zunge daran. «Wie du meinst.»
«Was haben Sie denn da am Fuß?», fragt Gretchen, als sie den
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