Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hof (German Edition)

Der Hof (German Edition)

Titel: Der Hof (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
Vom Netzwerk:
behelfsmäßigen Gummischuh bemerkt.
    «Den hat Mathilde gebastelt.»
    «Mathilde?» Wieder ist ihr Lächeln fort. «Das sieht doof aus.»
    Ich antworte darauf nichts. Ein muffiger Geruch, der nicht ganz unangenehm ist, dringt aus dem offenen Fenster. Ohne den Staubschleier auf der Fensterscheibe sind die abblätternden Tapeten und die Risse im Putz im Schlafzimmer deutlich zu sehen. Das Bettgestell aus Eisen mit der klumpigen Matratze und den Kissen sieht aus, als wollte es im nächsten Moment auf den nackten Bodendielen in sich zusammenfallen.
    «Wem hat das Zimmer früher gehört?», frage ich.
    «Meiner Maman.»
    Mir entgeht nicht, dass sie nicht behauptet, Arnaud hätte hier auch geschlafen. Ich zeige auf das Foto auf der Kommode. «Ist sie das mit deinem Vater?»
    Sie nickt. «Das war ihre Hochzeit.»
    «Wie alt warst du, als sie gestorben ist?»
    «Ich war noch ein Baby. Ich kann mich gar nicht an sie erinnern.» Gretchen klingt gelangweilt. «Ich habe nach ihrem Tod oft mit ihrem Rollstuhl gespielt. Aber dann bin ich rausgefallen und hab mich verletzt, und Papa hat ihn kaputt gehauen.»
    Und ein Pony hatte sie auch nie gehabt, denke ich. Aber wie oft, wenn es um Gretchen geht, behalte ich das lieber für mich. Sie ist verstummt, und ich schwöre, ich kann förmlich fühlen, was als Nächstes kommt.
    «Warum kommen Sie nicht einfach mit rein?»
    «Nein danke.»
    Sie rückt zur Seite, damit ich bequem ins Zimmer steigen kann. «Ist schon in Ordnung. In dieses Zimmer kommt sonst niemand.»
    Der Kaffee ist immer noch zu heiß, aber ich nehme trotzdem einen Schluck. «Ich bleibe hier draußen.»
    «Was ist denn los?»
    «Nichts.»
    «Und warum kommen Sie nicht rein? Wollen Sie nicht?»
    «Ich arbeite.»
    «Nein, Sie arbeiten nicht. Sie trinken Kaffee.»
    Ihr Lächeln ist selbstbewusst und herausfordernd. Irgendwas an Gretchens Art erinnert mich an eine Katze. Sie ist geschmeidig und schnurrt, damit man sie streichelt, aber zugleich rammt sie dir im nächsten Moment die Krallen unter die Haut, wenn ihr etwas nicht passt.
    Ich habe noch nie was für Katzen übriggehabt.
    «Ich arbeite gleich weiter», sage ich. Mein Kopf pocht. Der Kater ist mit voller Wucht zurück.
    Sie geht durchs Zimmer, setzt sich aufs Bett und baumelt mit einem Bein. «Sind Sie schwul?»
    «Nein.»
    «Sind Sie sicher? Wenn Sie die Einladung eines hübschen Mädchens ablehnen, könnte man schon drauf kommen, dass Sie schwul sind.»
    «Also gut, bin ich eben schwul.»
    Sie scheint die Szene mit dem Foto auf dem Dachboden vollständig verdrängt zu haben. Aber ich werde nicht wieder davon anfangen, wenn sie es nicht tut. Ihr Lächeln ist schelmisch, als sie sich auf dem Bett hinlegt, einen Fuß und beide Ellenbogen auf die Matratze gestützt.
    «Ich glaube Ihnen nicht. Ich glaube, Sie sind nur schüchtern und brauchen jemanden, der Ihnen hilft, sich zu entspannen.» Gretchen lehnt sich auf dem Bett noch weiter nach hinten. Sie hebt eine Augenbraue und lächelt mich an. «Also?»
    «Ey! Sie da oben!»
    Gretchens Lächeln verschwindet, als Arnaud aus dem Hof nach mir ruft. Ich hoffe nur, sie besitzt so viel Geistesgegenwart, den Mund zu halten, als ich über das Geländer des Gerüsts schaue. Arnaud schaut wütend vom Pflaster zu mir hoch. Der Spaniel steht neben ihm und hat die Ohren aufgestellt. Der Hund schaut ebenfalls hoch.
    «Was machen Sie da?»
    Ich weiß nicht, wie viel er von da unten sehen oder hören kann, und widerstehe dem Impuls, über die Schulter zu Gretchen zu blicken.
    «Ich mach Pause.»
    «Sie haben doch gerade erst angefangen.» Er fixiert mich mit seinem unfreundlichen Blick und macht eine ruckartige Kopfbewegung. «Kommen Sie runter.»
    «Warum?»
    «Ich hab was anderes für Sie zu tun.»
    Ich weiß nicht, ob ich erleichtert sein soll oder nicht. «Was denn?»
    «Wir schlachten ein Schwein. Oder sind Sie zimperlich?»
    Ich hoffe, er macht nur einen Scherz. Aber er blickt verschlagen zu mir hoch, als warte er bloß darauf, dass ich mich weigere. Und ich will nicht länger hier oben herumstehen, als ich muss. Ich traue Gretchen zu, irgendwas Dummes zu machen.
    «Ich komme nach.»
    Ich drehe mich um, ehe er noch etwas sagen kann. In dem Moment, bevor ich ins Schlafzimmer schaue, sehe ich Gretchen noch auf dem Bett liegen, und diese Erinnerung ist so lebendig, dass ich fast sehe, wie sich ihre gebräunte Haut von den verblassten blauen Streifen der Matratze abhebt.
    Das Bett ist leer. Ebenso das Zimmer. Auf den Dielenbrettern

Weitere Kostenlose Bücher