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Der Hof (German Edition)

Der Hof (German Edition)

Titel: Der Hof (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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Überreste eines Kaninchens hängen zwischen den zugeschnappten Bügeln. Es muss schon seit Monaten da liegen. Die Fliegen und Maden haben bereits ihre Arbeit getan, und es ist nur noch ein vertrocknetes Bündel aus Fell und Knochen übrig.
    Arnaud stößt mit dem Fuß dagegen. «Nehmen Sie die auch mit.»
     
    Die morgendliche Kühle und der Nebel sind von der Sonne weggebrannt, als Arnaud endlich verkündet, es sei Zeit für eine Pause. Die Sonne sickert durchs Geäst, noch nicht heiß, aber zumindest bedrohlich auf die Hitze hindeutend, die bald folgt. Wir machen an einem flachen Felsen halt, der hier aus dem Boden ragt und eine natürliche Sitzmöglichkeit bietet. Arnaud lehnt sein Gewehr dagegen und nimmt Platz. Ich setze mich auf den Boden und bin froh um die Verschnaufpause.
    «Wie viele Fallen bleiben noch?»
    «Es sind noch ziemlich viele im Wald unten am See. Warum? Sind Sie schon müde?»
    «Nein, ich genieße jede einzelne Minute.»
    Er schnaubt, lässt sich aber nicht zu einer Erwiderung herab. Während ich versuche, nicht darüber nachzudenken, wie lange es noch bis zum Frühstück dauert, kramt Arnaud in seinem Rucksack und fördert ein in Butterbrotpapier gewickeltes Päckchen zutage. Lulu und ich lassen ihn nicht aus den Augen, als er es auswickelt. Darin sind zwei Stücke gebratene Hühnerbrust. Zu meiner Überraschung bietet er mir eins an.
    «Hier.»
    Ich nehme es, bevor er seine Meinung ändern kann. Er kramt weiter im Rucksack und holt diesmal eine Plastikflasche mit Wasser und ein Stück Brot hervor.
    «Das Brot ist von gestern», sagt er abfällig und bricht es in zwei Hälften.
    Das ist mir egal. Wir essen schweigend, trinken Wasser aus derselben Flasche, obwohl mir nicht entgeht, wie wir beide die Öffnung abwischen, ehe wir trinken. Kleine Häppchen werfe ich Lulu zu, die sich inzwischen gebärdet, als würde sie verhungern. Arnaud ignoriert sie.
    Nachdem er aufgegessen hat, zückt er die Pfeife und stopft sie. Ich hätte mich ihm angeschlossen, wenn ich morgens in der Eile nicht vergessen hätte, meine Zigaretten mitzunehmen.
    «Wie geht es Ihrem Rücken?», frage ich.
    «Nicht gut genug, um noch mehr zu buddeln.»
    Danach schweigen wir. Arnaud scheint so unerschütterlich wie der Fels, auf dem er sitzt. Einmal ertappe ich ihn dabei, wie er mich beobachtet, aber er schaut wieder weg, ohne das Wort zu ergreifen. Ich spüre eine Anspannung bei ihm, die sofort meine frühere Paranoia wieder erwachen lässt. Er nimmt das Gewehr zur Hand und späht am Schaft entlang.
    «Sie genießen also die Großzügigkeit meiner Tochter?»
    Scheiße, denke ich. Was hat Gretchen ihm wohl erzählt? «Was meinen Sie?»
    Er wirft mir einen gereizten Blick zu. Dann stellt er das Gewehr wieder hin und fingert an der Pfeife herum. «Mathilde. Sie verzärtelt Sie wie ein Neugeborenes. Kocht Ihnen Essen, wechselt den Verband.»
    «Ja, richtig. Stimmt, sie war sehr … großzügig.»
    Er nimmt die Pfeife aus dem Mund und schnipst ein unsichtbares Stäubchen vom Pfeifenkopf, ehe er sie wieder in den Mund steckt. «Was halten Sie von ihr?»
    «Ich verstehe nicht, was Sie meinen.»
    «Die Frage ist doch ganz einfach. Was halten Sie von Mathilde? Sie ist eine attraktive Frau, nicht wahr?»
    Arnaud ist es zuzutrauen, jede nur denkbare Antwort als Beleidigung aufzufassen, weshalb ich mich für die Wahrheit entscheide. «Ja, das ist sie.»
    Das scheint er hören zu wollen. Er zieht an der Pfeife. «Es war zuletzt schwer für sie. Den Haushalt führen. Sich um Gretchen kümmern, nachdem ihre Mutter starb. Und jetzt muss sie sich auch noch um ihr eigenes Baby kümmern. Nicht leicht.»
    Ich habe bisher aber auch nicht bemerkt, wie er versucht hat, es ihr leichter zu machen.
    «Ich habe es auch nicht viel besser gehabt, bei Gott», fährt er fort. «Zwei Töchter aufziehen. An einem Ort wie diesem braucht ein Mann einen Sohn. Jemand, der mit anpackt und später alles übernimmt. Ich habe immer gehofft, Marie werde mir einen Sohn schenken. Aber nein, nur Mädchen. Ich dankte Gott, als Michel geboren wurde, das kann ich Ihnen sagen. Ist nicht lustig, nur von Frauen umgeben zu sein.»
    Arnaud klopft die Pfeife auf dem Stein aus und schaut mich nicht an. «Trotzdem, für Mathilde ist es noch schlimmer. Eine gutaussehende Frau, noch so jung. Sie braucht einen Mann. Einen Ehemann, wenn’s ideal laufen soll, aber man muss wohl realistisch bleiben.» Er schürzt die Lippen und betrachtet nachdenklich die Pfeife. «Sie verstehen, was

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