Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag
Lederjacke direkt zu dem Punkt geführt, wo er seinen Kontakt mit Erich Kessler herstellen würde. Und um diesen ungeheuren Fehler noch schlimmer zu machen, hatte er dem Geschäftsführer seinen richtigen Namen genannt.
Kessler und Holcroft. Holcroft und Kessler. Sie waren aneinandergeknüpft. Er hatte den noch unbekannten Dritten aus dem Genfer Vertrag preisgegeben! Ihn ebenso klar und deutlich preisgegeben, als wenn er eine Zeitungsanzeige aufgegeben hätte.
Jetzt gab es keine Frage mehr, ob er imstande war, die Falle
aufzustellen. Er mußte es tun! Er mußte den Mann in der schwarzen Lederjacke ausschalten.
Er stieß die Tür auf und trat hinaus. Der Kurfürstendamm war hell erleuchtet. Die Luft war kalt, und der Mond am Himmel hatte einen Hof. Er setzte sich nach rechts in Bewegung, die Hände in den Manteltaschen, um sie vor der Kälte zu schützen. Er kam an dem Motorrad vorbei, das am Randstein abgestellt war, und ging weiter. Vor sich, vielleicht drei Häuserblocks entfernt, auf der linken Seite des Kurfürstendamms, konnte er die Umrisse der riesigen Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche sehen. Der ausgebombte Turm, der nie wiederaufgebaut werden sollte, war von Scheinwerfern angestrahlt. Berlins Erinnerung an Hitlers Drittes Reich. Er würde die Kirche als Orientierungshilfe benutzen.
Er ging weiter, den Gehweg hinunter, langsamer als die meisten Passanten um ihn herum. Häufig blieb er vor Schaufenstern stehen und sah in regelmäßigen Abständen auf die Uhr, in der Hoffnung, damit den Eindruck zu vermitteln, es komme ihm auf die Minuten an und er richte sein Tempo darauf aus, zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort zu sein.
Unmittelbar gegenüber der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche blieb er eine Weile am Randstein im Schein der Straßenbeleuchtung stehen. Er blickte nach links. In dreißig Meter Entfernung drehte sich der Mann in der schwarzen Lederjakke um, wandte Holcroft den Rücken, beobachtete den Verkehrsstrom.
Er war da; das war alles, worauf es ankam.
Noel setzte sich wieder in Bewegung, seine Schritte wurden jetzt schneller. Er erreichte die nächste Ecke. Die Straße vor ihm zweigte vom Kurfürstendamm ab und war zu beiden Seiten von Geschäften gesäumt. Die Trottoirs waren hier noch belebter, und die Passanten schienen es weniger eilig zu haben als auf dem Kurfürstendamm.
Er wartete, bis der Verkehrsstrom zum Stocken kam, und überquerte dann die Straße. Dann bog er nach rechts, hielt sich dicht am Randstein und bahnte sich mit vielen Entschuldigungen seinen Weg durch die Passanten. Er erreichte das Ende des Häuserblocks, überquerte die Straße und verlangsamte
seine Schritte wieder. Er blieb stehen, so wie er am Kurfürstendamm stehengeblieben war, um sich die Schaufenster anzusehen, und blickte dann wieder auf die Uhr.
Den Mann in der Lederjacke sah er zweimal.
Noel hatte jetzt den dritten Häuserblock erreicht. Höchstens fünfzehn Meter weiter war eine schmale Gasse, eine Durchfahrt zu einer vielleicht hundert Meter entfernten Parallelstraße. Die Gasse war finster, die Hauseingänge rechts und links lagen im Schatten. Kein sehr einladender Weg zu dieser Abendstunde.
Aber genau die richtige Falle für den Mann, der ihm folgte.
Er ging weiter die Straße hinunter, an dem unbeleuchteten Streifen aus Beton und Ziegelmauer vorbei, auf die nächste Ecke zu, wobei er sein Tempo mit jedem Schritt beschleunigte, während Heldens Worte in seinen Ohren widerhallten.
Der Amateur tut das Unerwartete, nicht weil er geschickt oder erfahren ist, sondern weil er es nicht besser weiß. Tu das Unerwartete schnell und auffällig, als ob du verwirrt wärst...
Er erreichte das Ende des Häuserblocks und blieb abrupt im Lichtkegel einer Straßenlampe stehen. Er sah sich um, als wäre er erschrocken, drehte sich um wie ein Mann, der unschlüssig ist, aber weiß, daß er eine Entscheidung treffen muß. Er blickte zurück auf die Seitengasse und fing plötzlich an zu laufen, stieß mit Fußgängern zusammen, rannte in die Gasse hinein – wie ein von Panik erfüllter Mensch.
Er rannte, bis die Dunkelheit fast absolut war, bis er etwa die Mitte der Gasse erreicht hatte, ganz in Schatten gehüllt, mit dem einzigen Licht an den beiden Mündungen der Gasse. Da war eine Art Lieferanteneingang – eine breite Metalltür. Er stürzte auf sie zu, zwängte sich in die Ecke, drückte den Rücken gegen Stahl und Stein. Er schob die Hand in die Jackentasche und umfaßte den Griff seiner Pistole.
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